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Zitat von belcanto am 25. September 2024, 16:27 UhrEine Sängerin mit Gedankentiefe
Der Autor dieser Zeilen erlebte den Bariton Will Domgraf-Fassbaender, also den Vater der Sängerin, noch in »Die Hochzeit des Figaro« auf der Opernbühne, mit »Le nozze di Figaro« konnte der ›normale‹ Opernbesucher in dieser Zeit nichts anfangen.
Will Domgraf-Fassbaender galt in seiner Glanzzeit als ganz vorzüglicher lyrischer Bariton.Nach vorausgegangenen Ehen heiratete Will Domgraf-Fassbaender im Dezember 1928 seine dritte Frau, die Theater- und Filmschauspielerin Sabine Peters.
Brigitte kam nach einer spektakulären Geburt am 3. Juli 1939, also kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, in Berlin-Schöneberg zur Welt.
Als bei einem so berühmten Künstlerpaar Nachwuchs ankam, nahm auch die Presse daran Anteil und entsprechende Bilder der Mutter mit Kind fanden den Weg in eine breite Öffentlichkeit.
Die Kindheit war luxuriös angelegt; in Berlin-Nikolassee wohnte man in einer hochherrschaftlichen Villa mit großem Garten und Baumbestand. Einige Angestellte sorgten für die Familie und hielten das Anwesen in Schuss.
Der Kleinen standen Kinder- und Spielzimmer mit Balkon zur Verfügung, für die Beaufsichtigung des Kindes war ein Kindermädchen engagiert.
Aber es war nun nicht so, dass Klein-Brigitte nur vom Kindermädchen betreut wurde; wenn Vater keine künstlerischen Pflichten zu erfüllen hatte, sang er seine Tochter abends mit eigens für sie komponierten Liedchen in den Schlaf.
1943 wurde die Villa in Berlin-Nikolassee verlassen und man zog in die Nähe des Kurfürstendamms in eine Zehnzimmerwohnung. In dieser Zeit war der Krieg dann auch in Berlin angekommen und die Kriegsbelastungen, wie hektische Aufbrüche in den Luftschutzkeller, belasteten auch das vierjährige Brigitte, was zu einem wochenlangen Krankenhausaufenthalt des Kindes führte.
Da gab es nun die Großeltern Peters in Dresden, das zu dieser Zeit nicht so unruhig war wie Berlin. Dort kam Brigitte in den Kindergarten und konnte bei den wohlhabenden Großeltern schöne Kindertage verbringen.Aber dann war diese unbeschreiblich schreckliche Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945, von der Brigitte Fassbaender sagt: »Ich habe nichts vergessen von dieser Nacht und den darauf folgenden Tagen, die sich in der Rückschau als eine gewaltige feuerdurchbrauste Szenerie darstellen.«
Das Haus der Großeltern war zerstört, mit einem Handwagen zog man in Richtung Pillnitz davon, der Großvater kannte dort einen Hotelbesitzer, am Gartenzaun des zerstörten Anwesens heftete man die neue Pillnitzer Adresse an, die dem vierzehn Tage später aus Berlin herbeigeeilten Vater half seine Tochter zu finden.
Vater hatte einen sogenannten ›Holzvergaser‹ aufgetrieben mit dem es die Familie durch das zerstörte Land zurück nach Berlin schaffte – dort angekommen war Sirenengeheul zu hören, man musste schleunigst einen Bunker aufsuchen.
Das grauenvolle Kriegsende erlebte das Kind in Berlin-Dahlem, denn die Wohnung am Kurfürstendamm war dem Bombardement zum Opfer gefallen; was das Kind mit seinen Eltern hier erlebte ist in diesem Rahmen nicht zu schildern …Der negative Höhepunkt war erreicht, Dahlem gehörte nun zur amerikanischen Zone.
Die Amerikaner arrangierten in den besetzten Prachtvillen Hauskonzerte und der Vater sang mit seinen Kollegen von der Staatsoper Lieder und Arien. Die Künstler wurden dabei gut verköstigt, wobei man auch einige Happen nach Hause schleusen konnte, die aber dort oft rasch aufgegessen sein mussten, weil zu Hause wegen Stromsperre der Kühlschrank außer Betrieb war. Für eine kurze Zeit wohnten sie auch in der Nachbarschaft von Peter Anders, wo Brigitte mit den Anders-Kindern im Garten spielte; in späteren Schülerjahren gehörte Isolde, eine Tochter von Rudolf Schock, zum bevorzugten Freundeskreis von Brigitte und man konnte beide hoch zu Ross im Grunewald sehen.
Aber das eilt nun der Zeit etwas voraus, denn zunächst wurde Brigitte eingeschult, was für das Mädchen alles andere als ein freudiges Ereignis war, das Kind fühlte sich der vorher genossenen Freude beraubt, die schulischen Leistungen waren miserabel; als ihre Mutter dann bemerkte, dass die Tochter nur stotternd lesen konnte, nahm sie das Lesetraining in die Hand, was bewirkte, dass eine außergewöhnliche Leselust geweckt wurde.Schon als Kind hatte Brigitte so eine leise Ahnung, dass ihre Stimme etwas Besonderes war und anders klang als die ihrer Freundinnen. Die Zeiten waren noch immer schlecht, aber der Vater erteilte Gesangsunterricht, Rita Streich zum Beispiel, war seine Schülerin.
Wenn der Vater mit seinem Begleiter arbeitete, saß Brigitte unter dem Flügel – nach dem Ende solcher Gesangsübungen sang sie dann die gehörten Stücke in ihrem Zimmer mit kräftiger Stimme nach. Einmal, als sie bemerkte, dass ihr Vater ihren Gesang mit glücklichem Gesichtsausdruck belauschte, fühlte sie sich ertappt und für lange Zeit kam dann kein gesungener Ton über ihre Lippen.
Auch bei Schulveranstaltungen bewunderte sie lieber den schönen Sopran von Isolde Schock als sich selbst als Sängerin zu produzieren, noch immer verbarg sie das Geheimnis ihrer Stimme.1948 erlebte Brigitte ihre erste Flugreise; wenige Tage vor der Blockade durch die Sowjetunion hatten die Eltern beschlossen von Berlin nach Hannover überzusiedeln, wo Willi Domgraf-Fassbaender einen Gastvertrag mit dem Opernhaus hatte. Hier erlebte sie ihren Vater als Rigoletto und Scarpia, aber entdeckte auch ihre Liebe zu Pferden und zu allem was mit der Bühne zusammenhing, wobei das Bühnenspiel in der Wohnung stattfand.
Anfang der 1950er Jahre verlegte Domgraf-Fassbaender seine Haupttätigkeit von Hannover nach Nürnberg, wo er nicht nur sang, sondern auch Regie führte und Oberspielleiter des Hauses wurde. Aber die Eltern zog es wieder zurück nach Berlin, wo man im Westsektor, in Zehlendorf, ein kleines Doppelhaus als Wohnsitz fand.
Die Schulkarriere von Brigitte Fassbaender war alles andere als ideal, mal besuchte sie das Gymnasium, mal die Volksschule, was aus den vielen Ortswechseln resultierte; zum Beispiel begann das Gymnasium in Westberlin erst mit der siebten Klasse. Durch das viele Hin und Her besuchte Brigitte etwa acht verschiedene Schulen. Immer noch betrachtete sie Schulpflichten als Freiheitsberaubung; die Pädagoginnen des Berliner Gymnasiums hatten überwiegend keinen guten Draht zu ihren Schülerinnen im Backfischalter.
Schulsport war Brigitte zuwider, die musischen Fächer standen ihr näher und in der Theatergruppe spielte sie engagiert mit, wenn im Deutschunterricht Dramen mit verteilten Rollen gelesen wurden, war sie Anwärterin für die Hauptrollen. Wenn ein Aufsatz zu schreiben war, lieferte sie Spitzenerzeugnisse ab, was man nicht als etwaiges Eigenlob abtun kann, denn der Deutschlehrer hatte diese Aufsätze bewahrt und überraschte die Opernsängerin Jahre später am Bühneneingang des Opernhauses mit dieser frühen Literatur.Ihre Musiklehrerin, Frau Gerds, die Brigitte Fassbaender als ›bemerkenswert gut‹ bezeichnet, führte die Mädels an klassische Musik heran, wobei zu bemerken ist, dass das bei einem Sängervater kein Neuland gewesen sein kann. Aber noch immer hütete sie ihre Stimme vor der Öffentlichkeit und verweigerte sich dem Chorgesang was prompt eine Vier in der Benotung einbrachte. Während die Eltern in Nürnberg lebten, war Brigitte in der Obhut ihrer Großmutter und sang da in häuslicher Umgebung ungeniert vor sich hin, weil sie wusste, dass Oma eigentlich nichts vom Singen verstand.
Gegen Ende der Schulzeit sprach sie, nun wild entschlossen, eine klavierspielende Mitschülerin an und bat diese um Begleitung eines Liedvortrags. Dem folgte gleich der nächste verwegene Schritt; die Musiklehrerin wurde eingeweiht. Ilona Gerds öffnete für die Mädchen den Musiksaal, damit sie in Freistunden oder nach Unterrichtsende üben konnten.
So erklang im Musiksaal der Dahlemer Gertraudenschule das Schumann-Lied »Ich grolle nicht« aus der »Dichterliebe«, danach wurden noch andere Lieder einstudiert und schließlich ein Tonband angefertigt, das nach Nürnberg gesandt wurde, wo Vater nun auch eine Gesangsklasse am Hans-Sachs-Konservatorium leitete.
Das Tonband wurde von einem Schriftstück begleitet in dem zu lesen war:
»Das bin ich, wenn du meinst, es könnte sich lohnen, dann würde ich gerne Sängerin werden! Das Singen macht mich sehr glücklich.«
Vaters positive Antwort folgte auf dem Fuße telefonisch, er meinte, dass sich nach dem Gehörten eine Ausbildung lohnen würde, aber er wollte die Stimme original in Nürnberg hören. Nun sehnte die Tochter den Ferienbeginn herbei und konnte kaum erwarten nach Nürnberg zu kommen. Dort sang sie im Konservatorium ihrem Vater vor, der attestierte:
»Das ist ein schönes Material!« Aber er machte seine Tochter nachdrücklich darauf aufmerksam, dass sie einen schweren Beruf anstrebt, der viel Fleiß, Disziplin und Opfer fordert.
Hatte die Tochter vorher damit geliebäugelt in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten und Schauspielerin zu werden, sah sie nun die Chance gleich zwei Talente auf der Bühne auszuleben, aber auch die Chance der ungeliebten Schule ein Jahr vor dem Abitur ade zu sagen. Aber wieder einmal war ein Abschied von Vertrautem angesagt, das Haus in Zehlendorf wurde aufgegeben; die Fassbaenders mieteten in Nürnberg ein großzügiges Haus. Während der Umzug von Mutter und Großmutter gemanagt wurde, begaben sich Vater und Tochter auf eine Italienreise, er wollte ihr ›sein Italien‹ zeigen, er wandelte auf den Spuren seiner Jugend. In dieser Reise war auch ein Probebesuch bei den Salzburger Festspielen eingeschlossen. Bei all dem was der Vater aufbot hätte Brigittes Laune besser sein können, sie war in einem kritischen Alter, drei Jahrzehnte später sah sie das alles mit anderen Augen.Nun ging es also ans Studieren; am Nürnberger Konservatorium belegte die Studentin alle Pflichtfächer, also: Klavier, Musikgeschichte, Theorie und Ensemblegesang – Chorgesang musste nun auch sein, sie lernte dabei vom Blatt singen. Mit dem Klavierspiel hatte sie schon in Berlin begonnen, aber auch am Konservatorium brachte sie es an diesem Instrument nicht zur Meisterschaft, weil sie mit ihrem Klavierlehrer meist Lieder übte, was allerdings den positiven Aspekt hatte, dass ihr Repertoire wuchs.
Den Gesangsunterricht bei ihrem Vater sah sie sehr positiv und war davon überzeugt, dass er als erfahrener und erfolgreicher Sänger, das auch weitervermitteln konnte. Einer seiner sehr praktischen Ratschläge war: »Sitz nicht so viel in der Kantine herum, da triffst du die Frustrierten und Unzufriedenen.«
Das Credo des Lehrers war die solide Beherrschung der Technik, die ruhig und umfassend aufgebaut werden sollte, aber er achtete auch darauf, dass die technischen Übungen nicht langweilig wurden. Brigitte Fassbaender hospitierte auch im Unterricht der anderen Gesangsstudenten, die ihr Vater betreute, da war auch einiges zu lernen.Und obwohl sich das alles so wunderbar liest – es war noch immer da, diese Scheu vor Fremden zu singen; ihr Vater und der Klavierlehrer waren bis hierher die einzigen, die ihrem Gesang lauschen durften. Am Konservatorium war das schon ein Thema, dass der Vater seine Tochter unterrichtet und die Neugier war groß. Es war schon etwas mehr als sonderbar, sich als Sängerin ausbilden zulassen, aber nicht vor Publikum singen zu wollen.
In ganz große Verlegenheit brachte sie ihren Vater, als dieser mit Tochter im Hause Grundig eingeladen waren, Grundig, das war wer, in dieser Zeit!
Die Gesellschaft wollte Fassbaenders ›Wunderkind‹ hören, aber der Mezzosopran schwieg eisern, kein Ton war ihr zu entlocken; im Rückblick meint die nun publikumsgewöhnte Sängerin: »Die pikierten Blicke der Anwesenden waren körperlich spürbar.«Schließlich gelang es einem Studienkollegen, die Studiokollegin zu einem gemeinsamen Kirchenkonzert in einem nahe Nürnberg gelegenen Ort zu überreden, das war im März 1960. Die Kritik schrieb bezüglich Brigitte Fassbaender von einer ›wohltuend weichen Altstimme‹;
fortan war sie nun öfter zu hören, das Eis war gebrochen.
Nun prangte ihr Name auf einem Veranstaltungsplakat des Konservatoriums, man gab Purcells Oper »Dido und Aeneas«, ihr war die Rolle der Zweiten Hexe zugeteilt.
Die Sache hatte weitreichende Folgen; Staatsintendant Rudolf Hartmann, Intendant der Bayerischen Staatsoper, hatte auf dem Plakat den Namen gelesen und fragte Kammersänger Domgraf-Fassbaender nach seiner singenden Tochter, am Theater habe man eine Mezzovakanz. Zunächst wehrte der Vater ab – zu jung, erst im dritten Studienjahr und so weiter, aber Hartmann beharrte, er wolle die Tochter im Prinzregententheater hören, da war nämlich zu dieser Zeit die Staatsoper untergebracht.
Am Konservatorium hatte man sich in der Hauptsache um den Liedgesang bemüht, auf der Opernbühne waren nun aber Opernstücke erwünscht.
Also wurden in Windeseile die Arie der Olga aus »Eugen Onegin«, eine Arie der Dalila von Saint-Saëns und die Arie ›Oh, schöne Jugendtage‹ aus Wilhelm Kienzls »Evangelimann« einstudiert.
Das Vorsingen war für den 12. Dezember 1960 anberaumt, diesmal waren Vater und Tochter gleichermaßen aufgeregt, aber nach dem Vortrag sagte man zum Vater:
»Das hat uns sehr gefallen, das ist ein außerordentliches Talent. Wir würden Ihre Tochter gerne engagieren. ›Eugen Onegin‹ kommt in der nächsten Spielzeit, sie könnte gleich die Olga mitsingen.«
Die Herren, denen das gefallen hatte waren: der Dirigent Joseph Keilberth, Intendant Hartmann und der Chef des Betriebsbüros Herbert List. So wirklich hell begeistert war Vater Fassbaender aber nicht – ein gewisser Stolz wird da aber schon mitgeschwungen sein – , denn eigentlich ging ihm die Sache plötzlich zu schnell, er gab zu bedenken, dass seine Tochter mit gerade mal 21 noch zu jung sei. Keilberth versicherte jedoch, dass er auf das Talent aufpassen würde, und der war ja für seine Sängerfreundlichkeit bekannt.So beendete also Brigitte Fassbaender ihr Studium in München vorzeitig ohne Opernprüfung und trat zum 1. April 1961 in den Dienst der Bayerischen Staatsoper, die Gage betrug 700 DM brutto. In München-Bogenhausen fand sich eine bescheidene Kammer im Dachgeschoss einer großen Villa. An freien Wochenenden ging es mit einem Pack schmutziger Wäsche zu den Eltern nach Nürnberg, wo es beim Vater Unterricht gab.
Am Theater gab es für die Anfängerin tüchtig zu tun, denn in fast jeder Oper benötigte man Mägde und Pagen.
So ein Page – der Vierte in Wagners »Lohengrin«, war ihr allererster Auftritt an der Staatsoper; sie konnte damals die ganz großen Kollegen bewundern: Ingrid Bjoner, Claire Watson, Astrid Varnay, Martha Mödl und den strahlenden Lohengrin Jess Thomas.
Was beim Vorsingen bereits Erwähnung fand, wurde nun Wirklichkeit, die Spielzeit 1962/63 eröffnete man mit »Eugen Onegin« und Brigitte Fassbaender war die Olga in der Premierenbesetzung, in den Rollen von Onegin und Lenski waren Hermann Prey und Fritz Wunderlich zu hören.
Bei der selten gespielten autobiografischen Strauss-Oper »Intermezzo« verliebte sich die Sängerin der Mitzi, einer winzig kleinen Rolle, in den Regie-Assistenten; man kam sich näher und näher, am Tag der Generalprobe zu »Eugen Onegin« feierte man Verlobung, Fritz Wunderlich schenkte zu diesem Ereignis einen Kochtopf. Ein Jahr später wurde geheiratet.Inzwischen war man vom Prinzregententheater ins wiedererstandene Nationaltheater umgezogen, wo Fassbaender immer größere Rollen sang und es sogar mal zu einem Gastspiel am Düsseldorfer Opernhaus kam und sie sich fast dort anwerben ließ, weil man ihr ganz attraktive Rollen anbot.
Als Günther Rennert 1965 in München Rossinis »Die Liebesprobe« im Cuvilliés-Theater inszenierte, hörte und sah man Brigitte Fassbaender in der weiblichen Hauptrolle und es war für die deutlich aufstrebende Sängerin ein Riesenerfolg und eine blendende Presse sorgte dafür, dass sich das in weiten Kreisen herumsprach.
Rundfunk, Fernsehen, Schallplattenproduzenten und Agenturen fragten an und sogar Covent Garden meldete sich. Allerdings beschied die Intendanz: »Nein, das geht nicht, Sie werden hier gebraucht.«
Da sie nun nicht groß international durchstarten konnte, widmete sie sich in heimatlichen Gefilden dem Konzertgesang, wo sie mitunter auch mal Hertha Töpper vertreten konnte, wenn es sich ergab. So kam es auch zu ihrer ersten Schallplatteneinspielung, wo sie für die erkrankte Frau Töpper einsprang.
›Electrola‹ engagierte Brigitte Fassbaender dann für eine Gesamtaufnahme von »Martha«, in der sie als Nancy neben Anneliese Rothenberger, Nicolai Gedda und Hermann Prey mitwirkte.
Auch unter der Ägide Rennert / Sawallisch war ein gutes Arbeitsklima für Brigitte Fassbaender, beide mochten sie, aber aus dem Festvertrag wurde ein sogenannter Residenzvertrag, was bedeutete, dass eine bestimmte Anzahl Premieren und Abende festgeschrieben waren, aber der weltweit gefragte Mezzosopran seine Konzert- und Opernplanung frei gestalten konnte. Aber Fassbaender setzte sich selbst Grenzen, indem sie darauf achtete alle großen Fachpartien an ihrem Münchner Stammhaus zu erarbeiten; also Carmen, Eboli, Amneris …
Unter der musikalischen Leitung von Carlos Kleiber war sie dann so richtig zum neuen Octavian in München geworden. Es ergab sich zwar auch eine kurze Zusammenarbeit mit Karajan, als Fricka im »Rheingold«, aber als sie ihm dann einige Absagen gab, verlief weiteres im Sande.Anfang 1978 starb Will Domgraf-Fassbaender, nachdem ein schweres Krankenlager vorausgegangen war; eine ganz schwere Zäsur im Leben der Tochter, aber der Vater hatte noch erleben dürfen, dass der Name Fassbaender in der Opernwelt glanzvoll weiterlebte, vier Jahre später starb die Mutter.
An ein richtiges Zuhause war bei all dieser Reisetätigkeit nicht mehr zu denken, einerseits war ihr diese Reiserei verhasst; andererseits liebte sie aber New York und London.
»Dort in Covent Garden auf der Bühne zu stehen, Konzerte in der Royal Festival Hall oder der Albert Hall zu geben und besonders die Liederabende in der traditionsreichen, akustisch einmaligen Wigmore Hall, das waren überwiegend glückhafte Erlebnisse«, sagt die Sängerin im Rückblick.In der Ära Everding ergab es sich, dass Brigitte Fassbaender dort nichts besonders Wichtiges zu tun hatte und sich deshalb etwas mehr für die Wiener Staatsoper interessierte, wo sie dann zwischen 1975 bis 1991 in 130 Vorstellungen sang, so auch in der Uraufführung von »Kabale und Liebe« (Gottfried von Einem).
Neben den großen Verdi-Rollen der Eboli und Amneris, sang sie sogar einmal die Azucena für eine Gesamtaufnahme des »Troubadour«, allerdings nur im Studio, auf der Opernbühne hätte sie sich das nicht zugetraut.
Aber da war auch noch Verdis »Requiem«, ein Stück, das sie von diesem Komponisten am meisten liebt, sie findet es in seiner Monumentalität atemberaubend.Mehr als drei Jahrzehnte stand sie auf den bedeutenden Opernbühnen der Welt und sang unter den berühmtesten Dirigenten und hatte weltberühmten Kollegen und Kolleginnen an ihrer Seite. An ihrem Stammhaus, der Bayerischen Staatsoper, wird sie stets als ›der‹ Octavian im »Rosenkavalier« in Erinnerung bleiben
Und dann die Lieder! Sogar an die Schubert-Zyklen traute sie sich heran, was ja nicht so selbstverständlich war. Die »Winterreise« entstand im Londoner Studio mit Aribert Reimann;
bisher hatten das nur Lotte Lehmann und Christa Ludwig gewagt, Brigitte Fassbaender war nun die dritte im Bunde. Lange hatte sie sich vor lauter Ehrfurcht nicht an Schubert herangetraut, und sie hat ihn nie als Romantiker begriffen, sondern für sie war Schubert ein klassischer Impressionist oder auch ein expressionistischer Klassiker.
Sie spielte ja die drei Schubert-Zyklen ein, wobei ihr »Die schöne Müllerin« am schwersten fiel, sie hält ihn für den ›männlichsten‹ Schubert-Zyklus.
Ganz allgemein meint Brigitte Fassbaender: »Das Singen von Liedern ist – wenn es gelingt – die größte künstlerische Befriedigung, die ein Interpret erfahren kann.«Man kann ein prall gefülltes Sängerleben in diesem Rahmen nicht ausführlich darstellen;
natürlich war da auch noch Schumanns »Dichterliebe«, mit der die einst so Publikumsscheue ihre ersten Liedversuche begann und die ganze herrliche Liedliteratur von Johannes Brahms bis Hugo Wolf.
In den letzten zehn Jahren ihrer Sängerkarriere machte Brigitte Fassbaender den Liedgesang zu ihrer Domäne. Ihr letzter Opernauftritt in München war im Februar 1990, wo man keinerlei Notiz davon nahm, dass da ein 30-jähriges Bühnenjubiläum anstand. Es war eine Repertoire-Vorstellung der »Salome«, und sie wusste, dass sie zum letzten Mal in ihrem Leben auf dieser Bühne stand, sie nahm ihr Schminkköfferchen aus dem Schrank und ging nach Hause …
Der eigentliche Abschied von der Opernbühne war 1994 in einer »Elektra«-Aufführung an der ›Met‹.Das Ende des Konzertierens war gedanklich zwar weit vorbereitet, denn sie hatte sich schon sehr früh vorgenommen mit dem Singen dann aufzuhören, wenn eine Steigerung nicht mehr möglich war, aber dann traf sie ihre Entscheidung nach einem guten Konzert, in sehr schöner Atmosphäre und dem Wissen, dass es aber besser nicht mehr werden wird.
Es war der 19. Dezember 1994; im kleinen aber exklusiven Veranstaltungsort Bahnhof Rolandseck sang und sprach Brigitte Fassbaender »Die schöne Magelone» von Brahms, am Flügel begleitet von Lisa Leonskaja.Inszeniert hatte Brigitte Fassbaender auch schon während ihrer aktiven Zeit als Sängerin, aber im Januar 1995 schrieb sie an Agenten und Veranstalter, dass sie nach 33 Jahren ihre sängerische Tätigkeit beendet und in dieser Eigenschaft nicht mehr zur Verfügung steht und künftig der Regiearbeit den Vorzug gibt.
Dass sie sich dann in Braunschweig bald als Operndirektorin und Mitintendantin sah, hat sie selbst überrascht, es betraf ja ›nur‹ zwei Interimsjahre. Braunschweig war aber eine gute Vorbereitung für die spätere Leitung des Tiroler Landestheater Innsbruck.
Über die weiteren Aktivitäten von Brigitte Fassbaender zu berichten, würde zu weit führen, in diesem Rahmen sollte ihre Entwicklung und Wirken als Sängerin beleuchtet werden.Intensiv mit Gesang beschäftigt sich Brigitte Fassbaender über viele Jahre hinweg immer noch in Meisterkursen, wo sie ihr Wissen an die folgende Generation weitergibt.
Und sie zieht auch wieder mit der »Schönen Magelone« durch die Lande, wobei allerdings nur ihre Sprechstimme zu hören ist.
Eine Sängerin mit Gedankentiefe
Der Autor dieser Zeilen erlebte den Bariton Will Domgraf-Fassbaender, also den Vater der Sängerin, noch in »Die Hochzeit des Figaro« auf der Opernbühne, mit »Le nozze di Figaro« konnte der ›normale‹ Opernbesucher in dieser Zeit nichts anfangen.
Will Domgraf-Fassbaender galt in seiner Glanzzeit als ganz vorzüglicher lyrischer Bariton.
Nach vorausgegangenen Ehen heiratete Will Domgraf-Fassbaender im Dezember 1928 seine dritte Frau, die Theater- und Filmschauspielerin Sabine Peters.
Brigitte kam nach einer spektakulären Geburt am 3. Juli 1939, also kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, in Berlin-Schöneberg zur Welt.
Als bei einem so berühmten Künstlerpaar Nachwuchs ankam, nahm auch die Presse daran Anteil und entsprechende Bilder der Mutter mit Kind fanden den Weg in eine breite Öffentlichkeit.
Die Kindheit war luxuriös angelegt; in Berlin-Nikolassee wohnte man in einer hochherrschaftlichen Villa mit großem Garten und Baumbestand. Einige Angestellte sorgten für die Familie und hielten das Anwesen in Schuss.
Der Kleinen standen Kinder- und Spielzimmer mit Balkon zur Verfügung, für die Beaufsichtigung des Kindes war ein Kindermädchen engagiert.
Aber es war nun nicht so, dass Klein-Brigitte nur vom Kindermädchen betreut wurde; wenn Vater keine künstlerischen Pflichten zu erfüllen hatte, sang er seine Tochter abends mit eigens für sie komponierten Liedchen in den Schlaf.
1943 wurde die Villa in Berlin-Nikolassee verlassen und man zog in die Nähe des Kurfürstendamms in eine Zehnzimmerwohnung. In dieser Zeit war der Krieg dann auch in Berlin angekommen und die Kriegsbelastungen, wie hektische Aufbrüche in den Luftschutzkeller, belasteten auch das vierjährige Brigitte, was zu einem wochenlangen Krankenhausaufenthalt des Kindes führte.
Da gab es nun die Großeltern Peters in Dresden, das zu dieser Zeit nicht so unruhig war wie Berlin. Dort kam Brigitte in den Kindergarten und konnte bei den wohlhabenden Großeltern schöne Kindertage verbringen.
Aber dann war diese unbeschreiblich schreckliche Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945, von der Brigitte Fassbaender sagt: »Ich habe nichts vergessen von dieser Nacht und den darauf folgenden Tagen, die sich in der Rückschau als eine gewaltige feuerdurchbrauste Szenerie darstellen.«
Das Haus der Großeltern war zerstört, mit einem Handwagen zog man in Richtung Pillnitz davon, der Großvater kannte dort einen Hotelbesitzer, am Gartenzaun des zerstörten Anwesens heftete man die neue Pillnitzer Adresse an, die dem vierzehn Tage später aus Berlin herbeigeeilten Vater half seine Tochter zu finden.
Vater hatte einen sogenannten ›Holzvergaser‹ aufgetrieben mit dem es die Familie durch das zerstörte Land zurück nach Berlin schaffte – dort angekommen war Sirenengeheul zu hören, man musste schleunigst einen Bunker aufsuchen.
Das grauenvolle Kriegsende erlebte das Kind in Berlin-Dahlem, denn die Wohnung am Kurfürstendamm war dem Bombardement zum Opfer gefallen; was das Kind mit seinen Eltern hier erlebte ist in diesem Rahmen nicht zu schildern …
Der negative Höhepunkt war erreicht, Dahlem gehörte nun zur amerikanischen Zone.
Die Amerikaner arrangierten in den besetzten Prachtvillen Hauskonzerte und der Vater sang mit seinen Kollegen von der Staatsoper Lieder und Arien. Die Künstler wurden dabei gut verköstigt, wobei man auch einige Happen nach Hause schleusen konnte, die aber dort oft rasch aufgegessen sein mussten, weil zu Hause wegen Stromsperre der Kühlschrank außer Betrieb war. Für eine kurze Zeit wohnten sie auch in der Nachbarschaft von Peter Anders, wo Brigitte mit den Anders-Kindern im Garten spielte; in späteren Schülerjahren gehörte Isolde, eine Tochter von Rudolf Schock, zum bevorzugten Freundeskreis von Brigitte und man konnte beide hoch zu Ross im Grunewald sehen.
Aber das eilt nun der Zeit etwas voraus, denn zunächst wurde Brigitte eingeschult, was für das Mädchen alles andere als ein freudiges Ereignis war, das Kind fühlte sich der vorher genossenen Freude beraubt, die schulischen Leistungen waren miserabel; als ihre Mutter dann bemerkte, dass die Tochter nur stotternd lesen konnte, nahm sie das Lesetraining in die Hand, was bewirkte, dass eine außergewöhnliche Leselust geweckt wurde.
Schon als Kind hatte Brigitte so eine leise Ahnung, dass ihre Stimme etwas Besonderes war und anders klang als die ihrer Freundinnen. Die Zeiten waren noch immer schlecht, aber der Vater erteilte Gesangsunterricht, Rita Streich zum Beispiel, war seine Schülerin.
Wenn der Vater mit seinem Begleiter arbeitete, saß Brigitte unter dem Flügel – nach dem Ende solcher Gesangsübungen sang sie dann die gehörten Stücke in ihrem Zimmer mit kräftiger Stimme nach. Einmal, als sie bemerkte, dass ihr Vater ihren Gesang mit glücklichem Gesichtsausdruck belauschte, fühlte sie sich ertappt und für lange Zeit kam dann kein gesungener Ton über ihre Lippen.
Auch bei Schulveranstaltungen bewunderte sie lieber den schönen Sopran von Isolde Schock als sich selbst als Sängerin zu produzieren, noch immer verbarg sie das Geheimnis ihrer Stimme.
1948 erlebte Brigitte ihre erste Flugreise; wenige Tage vor der Blockade durch die Sowjetunion hatten die Eltern beschlossen von Berlin nach Hannover überzusiedeln, wo Willi Domgraf-Fassbaender einen Gastvertrag mit dem Opernhaus hatte. Hier erlebte sie ihren Vater als Rigoletto und Scarpia, aber entdeckte auch ihre Liebe zu Pferden und zu allem was mit der Bühne zusammenhing, wobei das Bühnenspiel in der Wohnung stattfand.
Anfang der 1950er Jahre verlegte Domgraf-Fassbaender seine Haupttätigkeit von Hannover nach Nürnberg, wo er nicht nur sang, sondern auch Regie führte und Oberspielleiter des Hauses wurde. Aber die Eltern zog es wieder zurück nach Berlin, wo man im Westsektor, in Zehlendorf, ein kleines Doppelhaus als Wohnsitz fand.
Die Schulkarriere von Brigitte Fassbaender war alles andere als ideal, mal besuchte sie das Gymnasium, mal die Volksschule, was aus den vielen Ortswechseln resultierte; zum Beispiel begann das Gymnasium in Westberlin erst mit der siebten Klasse. Durch das viele Hin und Her besuchte Brigitte etwa acht verschiedene Schulen. Immer noch betrachtete sie Schulpflichten als Freiheitsberaubung; die Pädagoginnen des Berliner Gymnasiums hatten überwiegend keinen guten Draht zu ihren Schülerinnen im Backfischalter.
Schulsport war Brigitte zuwider, die musischen Fächer standen ihr näher und in der Theatergruppe spielte sie engagiert mit, wenn im Deutschunterricht Dramen mit verteilten Rollen gelesen wurden, war sie Anwärterin für die Hauptrollen. Wenn ein Aufsatz zu schreiben war, lieferte sie Spitzenerzeugnisse ab, was man nicht als etwaiges Eigenlob abtun kann, denn der Deutschlehrer hatte diese Aufsätze bewahrt und überraschte die Opernsängerin Jahre später am Bühneneingang des Opernhauses mit dieser frühen Literatur.
Ihre Musiklehrerin, Frau Gerds, die Brigitte Fassbaender als ›bemerkenswert gut‹ bezeichnet, führte die Mädels an klassische Musik heran, wobei zu bemerken ist, dass das bei einem Sängervater kein Neuland gewesen sein kann. Aber noch immer hütete sie ihre Stimme vor der Öffentlichkeit und verweigerte sich dem Chorgesang was prompt eine Vier in der Benotung einbrachte. Während die Eltern in Nürnberg lebten, war Brigitte in der Obhut ihrer Großmutter und sang da in häuslicher Umgebung ungeniert vor sich hin, weil sie wusste, dass Oma eigentlich nichts vom Singen verstand.
Gegen Ende der Schulzeit sprach sie, nun wild entschlossen, eine klavierspielende Mitschülerin an und bat diese um Begleitung eines Liedvortrags. Dem folgte gleich der nächste verwegene Schritt; die Musiklehrerin wurde eingeweiht. Ilona Gerds öffnete für die Mädchen den Musiksaal, damit sie in Freistunden oder nach Unterrichtsende üben konnten.
So erklang im Musiksaal der Dahlemer Gertraudenschule das Schumann-Lied »Ich grolle nicht« aus der »Dichterliebe«, danach wurden noch andere Lieder einstudiert und schließlich ein Tonband angefertigt, das nach Nürnberg gesandt wurde, wo Vater nun auch eine Gesangsklasse am Hans-Sachs-Konservatorium leitete.
Das Tonband wurde von einem Schriftstück begleitet in dem zu lesen war:
»Das bin ich, wenn du meinst, es könnte sich lohnen, dann würde ich gerne Sängerin werden! Das Singen macht mich sehr glücklich.«
Vaters positive Antwort folgte auf dem Fuße telefonisch, er meinte, dass sich nach dem Gehörten eine Ausbildung lohnen würde, aber er wollte die Stimme original in Nürnberg hören. Nun sehnte die Tochter den Ferienbeginn herbei und konnte kaum erwarten nach Nürnberg zu kommen. Dort sang sie im Konservatorium ihrem Vater vor, der attestierte:
»Das ist ein schönes Material!« Aber er machte seine Tochter nachdrücklich darauf aufmerksam, dass sie einen schweren Beruf anstrebt, der viel Fleiß, Disziplin und Opfer fordert.
Hatte die Tochter vorher damit geliebäugelt in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten und Schauspielerin zu werden, sah sie nun die Chance gleich zwei Talente auf der Bühne auszuleben, aber auch die Chance der ungeliebten Schule ein Jahr vor dem Abitur ade zu sagen. Aber wieder einmal war ein Abschied von Vertrautem angesagt, das Haus in Zehlendorf wurde aufgegeben; die Fassbaenders mieteten in Nürnberg ein großzügiges Haus. Während der Umzug von Mutter und Großmutter gemanagt wurde, begaben sich Vater und Tochter auf eine Italienreise, er wollte ihr ›sein Italien‹ zeigen, er wandelte auf den Spuren seiner Jugend. In dieser Reise war auch ein Probebesuch bei den Salzburger Festspielen eingeschlossen. Bei all dem was der Vater aufbot hätte Brigittes Laune besser sein können, sie war in einem kritischen Alter, drei Jahrzehnte später sah sie das alles mit anderen Augen.
Nun ging es also ans Studieren; am Nürnberger Konservatorium belegte die Studentin alle Pflichtfächer, also: Klavier, Musikgeschichte, Theorie und Ensemblegesang – Chorgesang musste nun auch sein, sie lernte dabei vom Blatt singen. Mit dem Klavierspiel hatte sie schon in Berlin begonnen, aber auch am Konservatorium brachte sie es an diesem Instrument nicht zur Meisterschaft, weil sie mit ihrem Klavierlehrer meist Lieder übte, was allerdings den positiven Aspekt hatte, dass ihr Repertoire wuchs.
Den Gesangsunterricht bei ihrem Vater sah sie sehr positiv und war davon überzeugt, dass er als erfahrener und erfolgreicher Sänger, das auch weitervermitteln konnte. Einer seiner sehr praktischen Ratschläge war: »Sitz nicht so viel in der Kantine herum, da triffst du die Frustrierten und Unzufriedenen.«
Das Credo des Lehrers war die solide Beherrschung der Technik, die ruhig und umfassend aufgebaut werden sollte, aber er achtete auch darauf, dass die technischen Übungen nicht langweilig wurden. Brigitte Fassbaender hospitierte auch im Unterricht der anderen Gesangsstudenten, die ihr Vater betreute, da war auch einiges zu lernen.
Und obwohl sich das alles so wunderbar liest – es war noch immer da, diese Scheu vor Fremden zu singen; ihr Vater und der Klavierlehrer waren bis hierher die einzigen, die ihrem Gesang lauschen durften. Am Konservatorium war das schon ein Thema, dass der Vater seine Tochter unterrichtet und die Neugier war groß. Es war schon etwas mehr als sonderbar, sich als Sängerin ausbilden zulassen, aber nicht vor Publikum singen zu wollen.
In ganz große Verlegenheit brachte sie ihren Vater, als dieser mit Tochter im Hause Grundig eingeladen waren, Grundig, das war wer, in dieser Zeit!
Die Gesellschaft wollte Fassbaenders ›Wunderkind‹ hören, aber der Mezzosopran schwieg eisern, kein Ton war ihr zu entlocken; im Rückblick meint die nun publikumsgewöhnte Sängerin: »Die pikierten Blicke der Anwesenden waren körperlich spürbar.«
Schließlich gelang es einem Studienkollegen, die Studiokollegin zu einem gemeinsamen Kirchenkonzert in einem nahe Nürnberg gelegenen Ort zu überreden, das war im März 1960. Die Kritik schrieb bezüglich Brigitte Fassbaender von einer ›wohltuend weichen Altstimme‹;
fortan war sie nun öfter zu hören, das Eis war gebrochen.
Nun prangte ihr Name auf einem Veranstaltungsplakat des Konservatoriums, man gab Purcells Oper »Dido und Aeneas«, ihr war die Rolle der Zweiten Hexe zugeteilt.
Die Sache hatte weitreichende Folgen; Staatsintendant Rudolf Hartmann, Intendant der Bayerischen Staatsoper, hatte auf dem Plakat den Namen gelesen und fragte Kammersänger Domgraf-Fassbaender nach seiner singenden Tochter, am Theater habe man eine Mezzovakanz. Zunächst wehrte der Vater ab – zu jung, erst im dritten Studienjahr und so weiter, aber Hartmann beharrte, er wolle die Tochter im Prinzregententheater hören, da war nämlich zu dieser Zeit die Staatsoper untergebracht.
Am Konservatorium hatte man sich in der Hauptsache um den Liedgesang bemüht, auf der Opernbühne waren nun aber Opernstücke erwünscht.
Also wurden in Windeseile die Arie der Olga aus »Eugen Onegin«, eine Arie der Dalila von Saint-Saëns und die Arie ›Oh, schöne Jugendtage‹ aus Wilhelm Kienzls »Evangelimann« einstudiert.
Das Vorsingen war für den 12. Dezember 1960 anberaumt, diesmal waren Vater und Tochter gleichermaßen aufgeregt, aber nach dem Vortrag sagte man zum Vater:
»Das hat uns sehr gefallen, das ist ein außerordentliches Talent. Wir würden Ihre Tochter gerne engagieren. ›Eugen Onegin‹ kommt in der nächsten Spielzeit, sie könnte gleich die Olga mitsingen.«
Die Herren, denen das gefallen hatte waren: der Dirigent Joseph Keilberth, Intendant Hartmann und der Chef des Betriebsbüros Herbert List. So wirklich hell begeistert war Vater Fassbaender aber nicht – ein gewisser Stolz wird da aber schon mitgeschwungen sein – , denn eigentlich ging ihm die Sache plötzlich zu schnell, er gab zu bedenken, dass seine Tochter mit gerade mal 21 noch zu jung sei. Keilberth versicherte jedoch, dass er auf das Talent aufpassen würde, und der war ja für seine Sängerfreundlichkeit bekannt.
So beendete also Brigitte Fassbaender ihr Studium in München vorzeitig ohne Opernprüfung und trat zum 1. April 1961 in den Dienst der Bayerischen Staatsoper, die Gage betrug 700 DM brutto. In München-Bogenhausen fand sich eine bescheidene Kammer im Dachgeschoss einer großen Villa. An freien Wochenenden ging es mit einem Pack schmutziger Wäsche zu den Eltern nach Nürnberg, wo es beim Vater Unterricht gab.
Am Theater gab es für die Anfängerin tüchtig zu tun, denn in fast jeder Oper benötigte man Mägde und Pagen.
So ein Page – der Vierte in Wagners »Lohengrin«, war ihr allererster Auftritt an der Staatsoper; sie konnte damals die ganz großen Kollegen bewundern: Ingrid Bjoner, Claire Watson, Astrid Varnay, Martha Mödl und den strahlenden Lohengrin Jess Thomas.
Was beim Vorsingen bereits Erwähnung fand, wurde nun Wirklichkeit, die Spielzeit 1962/63 eröffnete man mit »Eugen Onegin« und Brigitte Fassbaender war die Olga in der Premierenbesetzung, in den Rollen von Onegin und Lenski waren Hermann Prey und Fritz Wunderlich zu hören.
Bei der selten gespielten autobiografischen Strauss-Oper »Intermezzo« verliebte sich die Sängerin der Mitzi, einer winzig kleinen Rolle, in den Regie-Assistenten; man kam sich näher und näher, am Tag der Generalprobe zu »Eugen Onegin« feierte man Verlobung, Fritz Wunderlich schenkte zu diesem Ereignis einen Kochtopf. Ein Jahr später wurde geheiratet.
Inzwischen war man vom Prinzregententheater ins wiedererstandene Nationaltheater umgezogen, wo Fassbaender immer größere Rollen sang und es sogar mal zu einem Gastspiel am Düsseldorfer Opernhaus kam und sie sich fast dort anwerben ließ, weil man ihr ganz attraktive Rollen anbot.
Als Günther Rennert 1965 in München Rossinis »Die Liebesprobe« im Cuvilliés-Theater inszenierte, hörte und sah man Brigitte Fassbaender in der weiblichen Hauptrolle und es war für die deutlich aufstrebende Sängerin ein Riesenerfolg und eine blendende Presse sorgte dafür, dass sich das in weiten Kreisen herumsprach.
Rundfunk, Fernsehen, Schallplattenproduzenten und Agenturen fragten an und sogar Covent Garden meldete sich. Allerdings beschied die Intendanz: »Nein, das geht nicht, Sie werden hier gebraucht.«
Da sie nun nicht groß international durchstarten konnte, widmete sie sich in heimatlichen Gefilden dem Konzertgesang, wo sie mitunter auch mal Hertha Töpper vertreten konnte, wenn es sich ergab. So kam es auch zu ihrer ersten Schallplatteneinspielung, wo sie für die erkrankte Frau Töpper einsprang.
›Electrola‹ engagierte Brigitte Fassbaender dann für eine Gesamtaufnahme von »Martha«, in der sie als Nancy neben Anneliese Rothenberger, Nicolai Gedda und Hermann Prey mitwirkte.
Auch unter der Ägide Rennert / Sawallisch war ein gutes Arbeitsklima für Brigitte Fassbaender, beide mochten sie, aber aus dem Festvertrag wurde ein sogenannter Residenzvertrag, was bedeutete, dass eine bestimmte Anzahl Premieren und Abende festgeschrieben waren, aber der weltweit gefragte Mezzosopran seine Konzert- und Opernplanung frei gestalten konnte. Aber Fassbaender setzte sich selbst Grenzen, indem sie darauf achtete alle großen Fachpartien an ihrem Münchner Stammhaus zu erarbeiten; also Carmen, Eboli, Amneris …
Unter der musikalischen Leitung von Carlos Kleiber war sie dann so richtig zum neuen Octavian in München geworden. Es ergab sich zwar auch eine kurze Zusammenarbeit mit Karajan, als Fricka im »Rheingold«, aber als sie ihm dann einige Absagen gab, verlief weiteres im Sande.
Anfang 1978 starb Will Domgraf-Fassbaender, nachdem ein schweres Krankenlager vorausgegangen war; eine ganz schwere Zäsur im Leben der Tochter, aber der Vater hatte noch erleben dürfen, dass der Name Fassbaender in der Opernwelt glanzvoll weiterlebte, vier Jahre später starb die Mutter.
An ein richtiges Zuhause war bei all dieser Reisetätigkeit nicht mehr zu denken, einerseits war ihr diese Reiserei verhasst; andererseits liebte sie aber New York und London.
»Dort in Covent Garden auf der Bühne zu stehen, Konzerte in der Royal Festival Hall oder der Albert Hall zu geben und besonders die Liederabende in der traditionsreichen, akustisch einmaligen Wigmore Hall, das waren überwiegend glückhafte Erlebnisse«, sagt die Sängerin im Rückblick.
In der Ära Everding ergab es sich, dass Brigitte Fassbaender dort nichts besonders Wichtiges zu tun hatte und sich deshalb etwas mehr für die Wiener Staatsoper interessierte, wo sie dann zwischen 1975 bis 1991 in 130 Vorstellungen sang, so auch in der Uraufführung von »Kabale und Liebe« (Gottfried von Einem).
Neben den großen Verdi-Rollen der Eboli und Amneris, sang sie sogar einmal die Azucena für eine Gesamtaufnahme des »Troubadour«, allerdings nur im Studio, auf der Opernbühne hätte sie sich das nicht zugetraut.
Aber da war auch noch Verdis »Requiem«, ein Stück, das sie von diesem Komponisten am meisten liebt, sie findet es in seiner Monumentalität atemberaubend.
Mehr als drei Jahrzehnte stand sie auf den bedeutenden Opernbühnen der Welt und sang unter den berühmtesten Dirigenten und hatte weltberühmten Kollegen und Kolleginnen an ihrer Seite. An ihrem Stammhaus, der Bayerischen Staatsoper, wird sie stets als ›der‹ Octavian im »Rosenkavalier« in Erinnerung bleiben
Und dann die Lieder! Sogar an die Schubert-Zyklen traute sie sich heran, was ja nicht so selbstverständlich war. Die »Winterreise« entstand im Londoner Studio mit Aribert Reimann;
bisher hatten das nur Lotte Lehmann und Christa Ludwig gewagt, Brigitte Fassbaender war nun die dritte im Bunde. Lange hatte sie sich vor lauter Ehrfurcht nicht an Schubert herangetraut, und sie hat ihn nie als Romantiker begriffen, sondern für sie war Schubert ein klassischer Impressionist oder auch ein expressionistischer Klassiker.
Sie spielte ja die drei Schubert-Zyklen ein, wobei ihr »Die schöne Müllerin« am schwersten fiel, sie hält ihn für den ›männlichsten‹ Schubert-Zyklus.
Ganz allgemein meint Brigitte Fassbaender: »Das Singen von Liedern ist – wenn es gelingt – die größte künstlerische Befriedigung, die ein Interpret erfahren kann.«
Man kann ein prall gefülltes Sängerleben in diesem Rahmen nicht ausführlich darstellen;
natürlich war da auch noch Schumanns »Dichterliebe«, mit der die einst so Publikumsscheue ihre ersten Liedversuche begann und die ganze herrliche Liedliteratur von Johannes Brahms bis Hugo Wolf.
In den letzten zehn Jahren ihrer Sängerkarriere machte Brigitte Fassbaender den Liedgesang zu ihrer Domäne. Ihr letzter Opernauftritt in München war im Februar 1990, wo man keinerlei Notiz davon nahm, dass da ein 30-jähriges Bühnenjubiläum anstand. Es war eine Repertoire-Vorstellung der »Salome«, und sie wusste, dass sie zum letzten Mal in ihrem Leben auf dieser Bühne stand, sie nahm ihr Schminkköfferchen aus dem Schrank und ging nach Hause …
Der eigentliche Abschied von der Opernbühne war 1994 in einer »Elektra«-Aufführung an der ›Met‹.
Das Ende des Konzertierens war gedanklich zwar weit vorbereitet, denn sie hatte sich schon sehr früh vorgenommen mit dem Singen dann aufzuhören, wenn eine Steigerung nicht mehr möglich war, aber dann traf sie ihre Entscheidung nach einem guten Konzert, in sehr schöner Atmosphäre und dem Wissen, dass es aber besser nicht mehr werden wird.
Es war der 19. Dezember 1994; im kleinen aber exklusiven Veranstaltungsort Bahnhof Rolandseck sang und sprach Brigitte Fassbaender »Die schöne Magelone» von Brahms, am Flügel begleitet von Lisa Leonskaja.
Inszeniert hatte Brigitte Fassbaender auch schon während ihrer aktiven Zeit als Sängerin, aber im Januar 1995 schrieb sie an Agenten und Veranstalter, dass sie nach 33 Jahren ihre sängerische Tätigkeit beendet und in dieser Eigenschaft nicht mehr zur Verfügung steht und künftig der Regiearbeit den Vorzug gibt.
Dass sie sich dann in Braunschweig bald als Operndirektorin und Mitintendantin sah, hat sie selbst überrascht, es betraf ja ›nur‹ zwei Interimsjahre. Braunschweig war aber eine gute Vorbereitung für die spätere Leitung des Tiroler Landestheater Innsbruck.
Über die weiteren Aktivitäten von Brigitte Fassbaender zu berichten, würde zu weit führen, in diesem Rahmen sollte ihre Entwicklung und Wirken als Sängerin beleuchtet werden.
Intensiv mit Gesang beschäftigt sich Brigitte Fassbaender über viele Jahre hinweg immer noch in Meisterkursen, wo sie ihr Wissen an die folgende Generation weitergibt.
Und sie zieht auch wieder mit der »Schönen Magelone« durch die Lande, wobei allerdings nur ihre Sprechstimme zu hören ist.
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