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Domenico oder Battista? Egal, Hauptsache Ferrandini!

Meine Sammlung an Kompositionen weniger bekannter Komponisten aus Barock und Klassik ist wieder etwas angewachsen – und zwar handelt es sich um „Dramatische Kantaten“ (Cantate drammatiche) des italienischen Komponisten Giovanni Domenico Ferrandini.

Es kann aber auch sein, dass Ferrandinis zweiter Vorname Battista lautet, die Label sind sich da offenbar nicht einig. Jedenfalls nennt das Label „Accent“, das die dramatischen Kantaten mit Olivia Vermeulen und dem Ensemble „Harmonie Universelle“ herausgebracht hat, auf der Umverpackung der CD den Komponisten Giovanni Domenico mit seinen beiden Vornamen, jpc und einige andere Publikationen dagegen Giovanni Battista. Ich hatte zunächst an zwei Brüder gedacht, denn auch das Geburtsjahr lautet bei Accent 1709, jpc und weitere Labels und Publikationen 1710.

Ich hatte also zunächst an ein Brüderpaar gedacht, bin jedoch bei meinen Recherchen nicht weitergekommen. Ich lasse mein Informationsbedürfnis über jenen Ferrandini mal unbefriedigt zurück, beschäftige mich mal zunächst mit der gehörten Musik.

Eine Mezzosopranistin namens Olivia Vermeulen (die ich bisher noch nicht kannte , weshalb ich hier von einer zweifachen Neuigkeit schreiben kann) wird von dem Ensemble Harmonie Universelle begleitet.

Zunächst muss ich festhalten, dass Ferrandini ein noch weitgehend unbekannter, aber sehr guter Komponist war. Seine Musik auf CD’s zu finden ist ziemlich schwierig, denn da ist nicht viel bei meinem Versender jpc zu finden. Das ist mal wieder zeitbedingt zu nennen, denn zu Lebzeiten war Ferrandini eine durchaus berühmte Größe. Es gibt dabei auch durchaus interessante Verbindungen dieses italienischen Musikers zu Deutschland, denn jener Ferrandini, ob er nun Giovanni Domenico oder Giovanni Battista hieß, war erst 13 Jahre alt, als er mit seinem Vater nach München kam, und seitdem eine Rolle in der dortigen Hofkapelle spielte. Er unterrichtete die Kinder seines Arbeitgebers, und eine von ihnen war Maria Antonia Walpurgis, die sich zu einer begabten Komponistin, Malerin und Dichterin entwickelte. In letzterer Eigenschaft schrieb sie Texte, die Ferrandini vertonte. Eine der Kantaten auf dieser CD enthält einen Text von ihr – die anderen könnten ebenfalls aus ihrer Feder stammen – und wären entstanden als sie Kurfürstin von Sachsen war. 1747 hatte sie nämlich Friedrich Christian geheiratet, für den Johann Sebastian Bach das Dramma per musika Herkules am Scheidewege (BWV 213) anlässlich seines Geburtstags schrieb. Ferrandini hatte aber auch noch einen anderen Schüler, der heute bekannter ist als Maria Antonia Walpurgis: Anton Raaff, der Tenor, der in vielen Opernaufführungen mitwirkte und seine letzte Rolle in Mozarts Idomeneo sang,

Gelernt habe ich inzwischen, dass Ferrandini lange Zeit nur eine bescheidene Fußnote in der Musikgeschichte war. Das änderte sich allerdings, als klar wurde, dass die Kantate Il Pianto di Maria, die man bis dato Händel zugeschrieben hatte, ein Werk Ferrandinis war. Es weist mehrere Merkmale auf, die auch in anderen Vokal- und Instrumentalwerken aus Ferrandinis Feder vorkommen. Dazu gehören ein abenteuerlicher Umgang mit der Harmonie und ein starker Ausdruck der Emotionen in den von ihm vertonten Texten.

Die drei von Olivia Vermeulen eingespielten Kantaten sind Teil einer sechsteiligen Serie für Sopran, Streicher und Basso continuo mit dem Titel Cantate con Istromenti , die in der Staatsbibliothek Dresden aufbewahrt werden. Maria Antonia war eine erfahrene Autorin dramatischer Texte: Sie hatte mehrere Opernlibretti verfasst, die vom berühmtesten Opernlibrettisten der Zeit, Pietro Metastasio, korrigiert wurden. Zwei davon vertonte sie selbst und übergab Johann Adolf Hasse das Libretto eines Oratoriums. 1747 wurde sie in die römische Accademia dell’Arcadia aufgenommen.

Die erste Kantate auf der CD Tinte a note di sangue besteht aus zwei Rezitativ-Arien-Paaren. Sie handelt von einem Liebhaber, der mit seiner abwesenden Geliebten spricht, die ihn betrogen hat. Besonders im ersten Rezitativ werden seine Gefühle durch häufige Modulationen offengelegt. Im zweiten Rezitativ und der Arie distanziert er sich von seiner früheren Geliebten. Das nächste Opus, All’apparir della vermiglia aurora, ist wegen ihres Textes bemerkenswert. Es geht um eine Sonnenblume, die Opfer der Rose, der Lilie, des Veilchens und des Jasmins wird, die auf sie herabblicken, weil sie nicht so schön ist und nicht so lieblich duftet wie die anderen. In der ersten Arie bekennt sie ihre „Armut“ in einem wahren Klagelied, in dem der Text musikalisch anschaulich dargestellt wird. Im folgenden Rezitativ mit Arie kontert sie mit der Bemerkung, Schönheit und Duft seien vergänglich. Sie behauptet eine andere Eigenschaft zu besitzen, nämlich Beständigkeit. Da dieses Thema in Kantaten des 18. Jahrhunderts immer wieder auftaucht, wird deutlich, dass es sich bei diesem Text um eine Metapher handelt: die Beständigkeit der Sonnenblume (der Liebenden) gegenüber der Wankelmütigkeit und Trägheit der Rivalinnen. In seinen Begleittexten glaubt Karl Böhmer, dass Maria Antoni Walpurgis, die nicht als schön galt, in dieser Kantate „das selbstgefällige Verhalten der Hofschönheiten“ kritisierte. Er könnte Recht haben, aber das lässt sich nicht beweisen – wir wissen nicht einmal mit Sicherheit, dass sie die Autorin des Textes ist.

Anders verhält es sich mit der vierten Kantate, Dell’idol mio trafitto , die die dramatischste der drei ist. Sie besteht aus zwei Arien, die durch ein Rezitativ getrennt sind. In der ersten Arie irrt die Protagonistin im Dunkeln umher und glaubt, die Stimme ihres Geliebten zu hören, der sie beschuldigt, ihn für untreu zu halten. Das Rezitativ beginnt secco , doch auf halbem Weg setzen die Streicher ein, was eine stark dramatische Wirkung hat. Dies bereitet die Schlussarie vor, die mit den Worten beginnt: „Mögen die Blitze zucken, mein Herz fürchtet nicht einmal die bedrohlichsten Stürme.“ In dieser Kantate verwendet Ferrandini alle möglichen Effekte, insbesondere bei den Streichern, um die Gefühle der Protagonistin freizulegen.

Ich bin, das darf ich hier schreiben, mit Vermeulens Interpretation dieser Kantaten sehr zufrieden, bemängle aber ein zu starkes Vibrato. Mag sein, dass das ein persönliches Empfinden ist, aber ich finde, hier wird zu sehr die Musikinterpretation späterer Generationen auf den Schild gehoben. Trotzdem ist dies definitiv eine CD, die man näher beachten sollte. Sie wirft ein Licht auf einen Komponisten, dessen Werk es verdient, Beachtung bei den Musikfreunden zu finden

Ich frage mich erstaunt warum er bisher keine Beachtung fand, denn die vorliegenden drei Kantaten beweisen wieder einmal, welch erstklassiger und origineller Komponist der Wahl-Münchner war. In der in H-Dur (!) stehenden Eröffnungsarie der letzten eingespielten Kantate hört man erstaunt harmonische Wendungen, die man in der Zeit um 1750 nicht für möglich gehalten hätte, doch auch bei den weniger atemberaubend kühnen Stücken bleibt die Spannung von Anfang bis Ende erhalten, was nicht zuletzt an der Sängerin und ihrem hervorragend begleitenden Originalklangensemble liegt. Es bleibt nur zu hoffen, dass überaus verdienstvolle Weltpremieren wie diese auch bei anderen Interpreten die Entdeckungslust in Sachen Ferrandini beflügeln.

Ich gebe eine uneingeschränkte Kaufempfehlung hier ab.

“Cover/Produkt

uhrand hat auf diesen Beitrag reagiert.
uhrand

Wikipedia nennt diesen Komponisten Giovanni Battista Ferrandini (was m. E. auch die Version ist, die am besten klingt), und gibt als Geburtsjahr „um 1710“ an (somit wäre auch 1709 durchaus möglich).

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Man sollte genau hinsehen – zum Beispiel auf das Cover-Frontispiz. Und genau das habe ich nicht richtig getan. Als jetzt mein Blick darauf fiel, sah ich zwölf Notensystem-Linien auf dem in kalligraphischer Handschrift niedergeschrieben war

Cantate drammatiche
a
Voce Sola e Stromenti
Composte dal Signore Gio: De Ferrandini
Consigliere e Direttore della Musica
di Camera di Sua Altezza Ser(enissima) Elettorale
di Baviera & Se

Ich deute das „De“ hinter dem Kürzel „Gio:“ als eine Abkürzung für Domenico; wobei ich berücksichtige, dass man Kürzel in der Zeit des Spätbarocks und des Rokokos nicht mit den heutigen Maßstäben vergleichen kann.
Das muss nicht stimmen, aber einen Hinweis auf den zweiten Vornamen von Ferrandini „Battista“ ersehe ich aus diesem handschriftlichen Titel nicht. Ich stimme aber auch dem Argument zu, dass auf einem anderen Notenkonvolut wieder etwas anderes stehen kann. Folglich erinnert mich das ganze hier an ein Perpetuum mobile…

manfred

Es ist doch nicht so eindeutig, wie ich es glaubte, herauslesen zu können. Mich hat nämlich ein Mitleser angerufen, den ich noch aus alten Tamino-Zeiten kenne, und der meinte (was man durchaus auch annehmen kann), dass „De“ zwischen „Gio:“ und „Ferrandini müßte man lesen als Giovanni „als einer von den Ferrandnis“. Auch ein Argument – womit aber das Problem um den Zweitnamen wieder offen ist.

manfred

Giovanni Battista Ferrandini wurde 1753 in München auf der deutschen Titelseite des Librettos zu Catone in Utica als Joh. von Ferrandini vorgestellt, was den Vornamen Domenico noch einmal als Falschinterpretation von „De“ (= Von) bestätigt.

Alles Liebe
André

Gestaltung Agentur kuh vadis