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Don Giovanni in einer Mondlandschaft

Heute, 22.10., zeigte 3sat eine Aufzeichnung von Mozarts „Don Giovanni“ aus der Wiener Staatsoper. Um es gleich vorweg zu sagen: dieser Abend war nicht verschenkt. Er war – meiner Meinung nach – ein wirklicher Genuss, allerdings nur was den musikalischen Teil betrifft. Die Interpretenriege
Don Giovanni: Kyle Ketelsen
Donna Anna: Hanna-Elisabeth Müller
Donna Elvira: Kate Lindsay
Komtur: Ain Anger
Don Ottavio: Stanislas de Barbeyrac
Leporello: Philippe Sly
Zerlina: Patricia Nolz
Masetto: Peter Kellner
ließ keine Wünsche offen, was den Gesang und das schauspielerische Können betrifft. Wobei ich den Komtur des mir unbekannten Ain Anger ausnehmen muss. Seine Stimme, sehr tremololastig und wenig durchschlagkräftig, gefiel mir nicht. Das Orchester der Wiener Staatsoper, außerhalb des Hauses als Wiener Philharmoniker fungierend, spielten ihrem Image angemessen, also exzellent. Philippe Jordan hielt alles zusammen und leistete sich keine temporalen Ausbrüche, wie man es ja oft von HIP-Dirigenten gewohnt ist.

Die Regie dieser Oper hatte Barrie Kosky. Und ich hätte mir seinetwegen den Abend auch nicht angetan, ahnte ich doch, was auf mich zukommen würde. Aber als Mozart-Liebhaber konnte ich nicht widerstehen. Und Kosky hat mich nicht enttäuscht: Da gab es kein Haus des Komturs, in dem Donna Anna sich des Don Giovanni erwehren muss und vor dem Leporello „auch gerne den Herren machen will“. Da gab es keine Straße, in der Herr und Diener auf Donna Elvira treffen, es fehlte auch das Leporello-Verzeichnis der Liebschaften („ma in Spagna son gia mille tre“). Der Komtur wurde auch nicht mit dem Degen Don Giovannis in den Tod befördert, sondern mit einem Stein erschlagen. Die entsprechenden Sechzehntelläufe in den Geigen, die das Degenkreuzen markieren, waren völlig fehl am Platze. Dass der Komtur als Toter dann auch noch aufstand und langsamen Schrittes in den Bühnenhintergrund tappte, setzte hier schon erstmals dem Unsinn die Krone auf.

Ich habe vergeblich auf das Schloss mit Ballsaal gewartet, in dem am Schluss des ersten Aktes der Don sich mit dem Degen gegen seine Bedränger erwehren muss. Masken bestanden aus über den Kopf gestülpten künstlichen Pflanzen.

Das Einheitsbild war eine karge Mondlandschaft, die während des Balles im Finale des ersten Aktes (mit dem berühmten Menuett und den ineinandergreifenden Tänzen) mich durch die Blumengestecke auf dem Boden und zu Häuptern der Protagonisten an Shakespeares’ Sommernachtstraum erinnert haben. Da hätte es gepasst.

Im zweiten Akt gab es kein Fenster mit der Dienerin der Donna Elvira, der Don Giovanni die Arie mit Zitherbegleitung singt. Masetto wird später auch nicht von dem Don mit den Musketen malträtiert, sondern mit einem Stein blutig geschlagen. Und der Friedhof mit dem Standbild des Komturs fehlte auch – Leporellos angstschlotternde Einladung an den Toten und dessen sichtbare Annahme durch Kopfnicken ging also ins Leere.

Das Essen im Finale des dritten Aktes fand auch in der kargen Mondlandschaft statt. Und der Komtur kam dann langsamen Schrittes von hinten, mit Kunstblut (oder Marmelade) beschmiert. Don Giovanni ging in den Tod durch kräftiges Händeschütteln des Komturs und die Geister der Hölle, die seine Tod begleiteten, waren unsichtbar – was nicht als ein Manko gewertet werden soll. Übrigens dachte sich der tote Don Giovanni, der nicht in der Versenkung verschwunden war, sondern an der Rampe lag, was der Komtur kann, nach dem Tod aufstehen, das kann ich auch, und ging dann zum Bühnenhintergrund ab.

Dass hier eine Aufzeichnung aus 2021 vorlag, war angegeben worden, wurde aber am fehlenden Applaus und den leeren Stuhlreihen der Wiener Oper deutlich. Den Applaus gaben sind die Sänger und Sängerinnen und das Orchester selbst. Und den haben sie sich wahrlich verdient. Regie und Bühnenbild kann man in die Tonne kloppen. Da war der Wiener Staatsoper nicht würdig. Wenn der geplante Zyklus mit den da-Ponte-Opern auch so inszeniert wird, werden Leute nur so strömen – wohin sie gehen werden, weiß ich aber nicht…

Lieber Manfred, 

schon der Name Barrie Kosky, der für Verunstaltung der klassischen Werke steht, hat mich davon abgehalten, den DVD-Recorder einzuschalten. Dieser und andere Verunstalter sind dem interessierten Opernfreund ja bekannt. Ich habe gestern ein weit besseres Erlebnis im Kino mit Cerubinis „Medea“ gehabt, über das ich gleich noch berichten werde. Dabei hat mir deinen Inhaltsangabe sehr geholfen.
Auf die Übertragung meist verunstalter Werke im Fernsehen zurückzukommen: Ich weiß nicht, worüber du die Sender empfängst. Ich empfange Radio und Fernsehen über Satellit. An den Stelliten-Empfänger habe ich auch die Stereoanlage angesclossen. Bei Fernsehaufzeichnungen von Musiksendungen schalte ich in der Regel den Ton im Fernseher ab und höre ihn über die Stereoanlage. Sollte also die Inszenierung so schräg sein, die musikalische Darbietung aber gut, kann ich auch den Fernseher ganz ausschalten und nur die Musik hören. 

Liebe Grüße
Gerhard

Zitat von Gerhard Wischniewski am 23. Oktober 2022, 11:37 Uhr

Sollte also die Inszenierung so schräg sein, die musikalische Darbietung aber gut, kann ich auch den Fernseher ganz ausschalten und nur die Musik hören. 

Lieber Gerhard,

den „Don Giovanni“ habe ich, wie ich eingangs schrieb, stimmlich und orchestral wirklich genossen. Bis auf den Komtur, dessen Stimme wirklich unterirdisch war, habe ich nichts zu bemängeln. Hinzu kommt, dass die Regie auch das Schaupielerische bewusst gefördert hat und die Darsteller das auch grandios umgesetzt haben. Dass, wie so oft, der gesungene Text mit dem Geschehen auf der Bühne nicht übereinstimmte, war ein schlimmes Manko, bei dem Regisseur aber auch zu erwarten. Demzufolge habe ich auch keine Überraschung erlebt. Da die Mediathek diese Oper im Programm hat, kann ich Dir den musikalischen Teil nur empfehlen. Sollte es Dir möglich sein, die Oper nur zu hören, wird es Dir bestimmt auch gefallen.

 

Lieber Manfred

Respekt! Und meine Hochachtung für Deine umfangreiche detaillierte Schilderung in Deinem Eingangsbeitrag. Es setzt einen schon in löbliches Erstaunen, mit welch genauer Fachkenntnis hier berichtet wird.

Ich habe Deinen Btr. zwar mit großem Interesse gelesen, kann aber zu der Thematik nichts sagen, weil ich nur ab und zu die Felsen /Mondlandschaft und dann auch nur ganz kurz reingeschaut habe. Wie Gerhard schon richtig bemerkt, beim Namen Kosky, ahnt, bzw. weiß man im Voraus, was einen da erwartet.

Nur soviel – der Don Giovanni scheint wohl prädestiniert für Verunstaltungen zu sein. Auch in Liberec /Reichenberg war im Frühjahr vor gut zwei Jahren die Premiere. Ich hatte da eigentlich auch die Absicht hinzufahren, die Fotos von der Generalprobe, die ich rechtzeitig noch vorher sehen konnten,  haben mich dann doch abgehalten. Zur Ehre des Hauses möchte ich aber doch bemerken, die „Verunstaltungen“ sind bis jetzt zumindest, deutlich gering. Dagegen stehen überwiegend gut gemachte werkgetreue Inszenierungen.

LG PavOro

Ich habe die Übertragung auch nach kurzer Zeit abgeschaltet, denn ich fand das ganze optisch völlig daneben. Und wenn ich bei einer Oper, ob live oder im TV die Augen zumachen muss, dann kann ich mir ebenso gut auch eine CD anhören. Wenn schon live, dann bevorzuge ich aus eben diesem Grund konzertante Aufführungen.

Viele Grüße

Amina

Lieber PavOro, ich danke Dir für die „Blumen“, aber die Opern meines Hauskomponisten kenne ich aus gut siebzigjährigem Hören zum Mitsingen, da fallen einem Diskrepanzen sofort auf. Ich fürchte, dass die Koskys dieser Welt die Texte der ihnen anvertrauten Opern nicht kennen und deshalb zu unmöglichen Ergebnissen in ihren Regiearbeiten kommen. Anders kann ich mir die vielen Absurditäten, die man zu sehen bekommt, nicht erklären – wohlwollend geäußert.

Liebe amina. ich kann Deine Reaktion verstehen: eine Aufnahme auf irgendwelchen Speichermedien (natürlich nicht DVD) weckt in mir immer das „eingebaute Regie-Gen“, denn ich stelle mir anhand des Librettos (das ich hinsichtlich des Bühnenbildes von vielen Werken im Kopf habe) die Szene bildlich vor. Ich vermisse auch deshalb keine DVD, da sie nur ganz selten werkgetreue Inszenierungen bieten. Die meisten bieten nur Verunstaltungen und dafür gebe ich kein Geld aus.

Die „Wiener“ wollen, so las ich die Da-Ponte-Opern Mozarts auf die Bühnen bringen. Wieviel davon schon realisiert ist, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob Kosky auch den Figaro und die Così realisieren wird oder ob ein anderer für viel Geld diese wahrlich großen Geniestreichs der Operngeschichte verunstaltet. Vielleicht werden wir ja irgendwann über Fernsehzeitschriften informiert. Ich kenne zumindest ein Mitglied dieses Forums, das in Wien wohnt und näheres weiß…

Übrigens ist am nächsten Wochenende – ebenfalls auf Arte – Wagners „Rheingold“ aus der Staatsoper Berlin unter Christian Thielemann zu sehen. Heute wurde in einer kurzen Vorschau auf Arte darauf hingewiesen (ich habe das unter „Fernsehtermine“ schon vor einigen Tagen gepostet). Aus den Bildern ist eine moderne Regie-Arbeit zu erkennen – trotzdem tue ich mir auch diesen Vorabend der Tetralogie an. 3sat zeigt am gleichen Abend (20.15) Uhr ein Brahms (Alt-Rhapsodie) und Bruckner (9. Sinfonie) Konzert, gleichfalls unter Thielemann mit den Wiener Philharmonikern.

Zurück zum Thema: Don Giovanni in Wien

Ich habe die Aufführung aus der WSO musikalisch genossen. Jedenfalls ließ ich mir Mozarts/DaPontes kongeniales Werk nicht durch ein paar Gesteinsbrocken (in Wirklichkeit Styropor) vermiesen. Das Orchester unter Philippe Jordan spielte in Hochform, schon deshalb lohnten sich die 170 Minuten am Schirm zu verbringen!

Die weiblichen Rollen waren sehr gut bis großartig besetzt. Die junge Mezzosopranistin Patricia Nolz ist auf bestem Weg zu einer internationalen Karriere. Bei ihr stimmt einfach alles. Gesang, Bewegung, Mienenspiel und Aussehen machten sie zur Idealbesetzung der Zerlina.

Kate Lindsey gab der Donna Elvira neben stimmlichen Qualitäten auch eine gehörige Portion Sex Appeal mit. Unverständlich, wie der Titelheld diese Frau fallen lassen konnte!

Etwas biederer als ihre Kolleginnen, dafür mit höchst dramatischen Akzenten die Donna Anna von Hanna-Elisabeth Müller. Aus ihrer Arie „Or sai chi l’onore“ sprühte das Feuer der Leidenschaft und des Schmerzes. Das war große Oper.

Bei den Herren ging es etwas bescheidener zu. Hier  fand ich den Leporello von Philippe Sly noch am überzeugendsten. Seine Secco-Rezitative perlten nur so aus ihm heraus. Darstellerisch übertraf er seinen Dienstherren um Längen. Schade, dass ihm die Regie bei seiner berühmten Arie das Register vorenthalten hat.

Über die Rolle des Don Ottavio möchte ich nicht mehr sagen als: mäßig. Beiden Arien fehlte akustisch der Tenorglanz und optisch das Edelmännische. Die Koloraturen bei „Il mio tesoro intanto“ waren unsauber, bei der Reprise musste man zunächst bangen, gar nichts mehr zu hören. Das war nur geflüstert, nicht gesungen. Am besten gelangen noch das Accompagnato-Rezitativ mit Donna Anna im 1. Akt und die Ensemble-Szenen danach. –  Ich gebe zu, hier etwas voreingenommen zu sein. Denn ich habe bei dieser Rolle noch immer Rüdiger Wohlers und Fritz Wunderlich im Ohr. Das war doch eine andere Qualität!

Peter Kellners Masetto war rollendeckend, vor allem in den Szenen mit seiner überaus attraktiven Braut Zerlina. 

Vom Komtur habe ich eine andere Vorstellung als die von Ain Anger dargebotene. Seine Stimme ist abgesungen, flackernd und fahl. Schade darum!

Und der Titelheld? Für mich etwas gehobener Durchschnitt. Kyle Ketelsens Stimme fehlt der Schmelz des Verführers, sie klingt sandig-rau und wirkt über viele Passagen hinweg zu gleichförmig. Kurzum: Der Pep hat gefehlt. Auch darstellerisch könnte er von seinem Diener Leporello noch einiges abgucken.

Wie schon andernorts erwähnt, war die Inszenierung und das Bühnenbild der musikalischen Leistung in keiner Weise ebenbürtig. Ein Haus wie die Wiener Staatsoper sollte diesen Mist einfach nicht auf die Bühne bringen! Für eine Eintrittskarte hierfür könnte ich mich nicht begeistern.

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