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Giuseppe Verdis "Macbeth" in Wiederaufnahme ab 18. 11. 2022 an der Wiener Staatsoper, der 10. Aufführung in der Inszenierung von Barrie Kosky im Spiegel verschiedener Kritiker in chronlogischer Reihenfolge

Mir fiel beim Lesen des heute erhaltenen neuen Merker, Dezember 2022, auf, dass sich dort die Kritiken der Aufführungen häuften und allein dort vier Kritiken zu finden waren, vom 18. 11., 21. 11., 24. 11. und 27. 11., zusätzlich im Online Merker noch zwei Kritiken vom 18. 11. und 24. 11. 2022. Da kam ich auf die Idee, alle diese Kritiken unter dem o. a. Thema als einzelne Beiträge in dem o. a. Thema zusammenzufassen. Ich habe dieses Vorhaben vorab mit Frau Dr. Pfabigan, Mitglied in unserem Forum und Chefredakteurin des Merker, abgesprochen.
Die o. a. Aufführung hatte ihre Premiere am 10. 6. 2021. Da ich die im neuen Merker abedruckten Texte abschreiben muss, wird dieses Vorhaben einige Tage dauern, und ich bitte darum, bis zum Abschluss aller sechs eingestellten Kritiken mit kommentarischen Beiträge zu warten. Sie können dann im Anschluss als einzelne Beiträge unter dem letzten von mir eingestellten Beitrag eingefügt werden.

Liebe Grüße

Willi?

 

Giuseppe Verdi, „MACBETH“ –  Wiederaufnahme am 18. 11. 2022 in der Wiener Staatsoper;

10. Aufführung in der Inszenierung von Barry Kosky, (Premiere 10. 6. 2021)

Verdi und Shakespeare – genialer geht’s nicht!

Und die literarische Vorlage sowie die musikalische Auslotung der im 11. Jahrhundert in Schottland und an der Grenze zu England spielenden Geschichte sind so stark, so lebendig und unter die Haut gehend, dass die schwarz-in-schwarze-Inszenierung mit exclusiv nackten Statisten beiderlei Geschlechts als „Hexen“ – alles auf leerer Bühne – als sinnlos abgetan werden kann, denn die historischen Gegebenheiten, von den beiden Autoren keinesfalls – weder sprachlich noch musikalisch – als exclusiv schwarz dargeboten, sind vielfarbig. Und die ausnahmslos erstklassigen SängerInnen dieser Aufführung in ihren beinah exclusiv schwarzen Kostümen (Klaus Bruns) bieten vokal und darstellerisch weit mehr.

WIEN / Staatsoper: MACBETHOnline Merker

Simon Keenlyside als Macbeth zaudert noch, aber das ihm eingegebene Gift seiner Lady – Anna Pirozzi –
hat längst zu wirken begonnen

In grandioser Forum präsentierte sich Simon Keenlyside als Titelheld. Sein wahrlich raumfüllender Bariton, offenbar ohne Anstrengung eingesetzt, vermochte uns glauben zu machen, wie sehr ihn nach seinem Sieg die Aussicht auf den Königsthron bewegt. Mit nur wenigen Gesten und Bewegungen kam durch seine prägnante Artikulation des italienischen Textes und Verdis expressive Musik sowohl seine Überzeugung von einer großen Zukunft als auch der von den im seitlichen Dunkel der Bühne – unsichtbaren – Hexen in Aussicht gestellten Macht sozusagen genussvoll zum Ausdruck. Es konnte aber nicht verborgen bleiben, dass sich schon in seiner ersten Szene eine gewisse Verunsicherung kundtat. Die sich im Verlauf des Abends durch den Einfluss seiner selbstbewussten Lady bis zum Wahnsinn steigerte. Dank seiner prächtigen Stimme, seines guten Aussehens und der stattlichen Figur konnte man ihm eine gewisse Sympathie jedenfalls nicht vorenthalten. Lady Macbeth, mit etwas kräftigerer Figur auch physische Kraft demonstrierend, wurde von der sich selbstbewusst gebenden Italienerin Anna Pirozzi mit ihrer in allen Lagen topsicheren, voluminösen dunklen Stimme mühelos beherrscht. Im weißen Nachthemd anlässlich ihrer finalen geistigen Umnachtung konnte sie auch mit feinen vokalen Nuancen aufwarten.

Riccardo Fassi, bisher in Wien als Pistola in „Falstaff“ und als Mozarts Figaro im Einsatz, großgewachsen und entsprechend souverän auftretend, konnte sich diesmal als Banco sowohl vokal als auch in seiner ergreifenden Sterbeszene eindringlich profilieren. Freddie de Tommaso, erstmals als Pinkerton in der Eröffnungsvorstellung der Ära Roscic am Hause zu erleben, konnte sich mit dem verzweifelten Macduff, dessen gesamte Familie von Macbeths Untergebenen getötet wurde, mit mächtig gewachsenem Tenorvolumen präsentieren.

In den kleineren Rollen hörten wir Carlos Osuna (Malcolm), Aurora Marthens (ebenfalls hellgewandete Kammerfrau), Jusung Gabriel Park als Arzt, Allesandra Bareggi (Fleance), Alejandro Pizarro-Enriquez (ein Diener Macbeths), Ferdinand Pfeiffer (Ein Mörder) und als Stimmen der Erscheinungen Johannes Gisser, Chiara Bammer und Chiara Bauer Mitterlehner.

Der Dirigent, Giampaolo Bisanti, sorgte für anhaltende Spannung,- schon den Sängern zuliebe von den philharmonischen Musikern nur zu gern durchgehalten, aber die allzu vielen fortissimi, die der Maestro zuließ, vertieften nicht unbedingt das emotionale Mitgefühl der Opernbesucher an den dramatischen Vorkommnissen. Das blieb den durchwegs stimmkräftigen Sängern vorbehalten!

© Sieglinde Pfabigan

Liebe Grüße

Willi?

Giuseppe Verdi: » Macbeth «

Wiener Staatsoper

  1. November 2022

Von Thomas Prochazka

Diese Oper von Verdi scheint öfters keine Oper zu sein; und öfters nicht von Verdi. Man fragt sich: » Trügt die Erinnerung? «

macbeth 1 keenlyside pirozzi

Die Freude auf den Abend — hervorgerufen nicht zuletzt durch die Umstände in den letzten Wochen — währte jedenfalls nur kurz. Zu fühlbar waren das Bemühen um das vorgegebene Spiel, das Ringen um die musikalische Bezwingung dieser Partitur, als daß die Kunst in ihr Recht hätte eintreten können.
Ein mühsam erkämpfter Abend.

II.
Giampaolo Bisanti, Macbeth-Rückkehrer ans Pult des Staatsopernorchesters, beschränkte sich auf eine durchwegs zu laute und den geforderten dynamischen Abstufungen abholde Wiedergabe der Partitur. Dies trug zu den Längen des Abends ebenso bei wie die unglückliche Positionierung der Damen des Wiener Staatsopernchores auf den Seitenbühnen, unsichtbar für das Publikum. Den in der Partitur den Hexen zugedachten Chören mangelte es wiederholt an der notwendigen Präzision der Einsätze auf der von Klaus Grünberg verantworteten Bühne, wohl nachempfunden einer spärlich beleuchteten Landebahn im nächtlichen schottischen Hochmoor.

Szenisch wie musikalisch vergeben auch die Finali des ersten und zweiten Aktes: Hin- und Widerlaufen sollte wohl die Aufregung darstellen, in welcher sich die Figuren befanden. Instrumental ohne jede Formung, ohne Steigerung; ohne Zentren. Vergeben auch viele Möglichkeiten der musikalischen Gestaltung von Lady Macbeths La luce langue mit ihren langen, piano notierten Passagen und den gelegentlichen forte-Ausbrüchen.

III.
An diesem Abend begab sich der seltene Fall, daß ein Sänger durch seine Rollenauffassung die Unzulänglichkeiten einer Regie-Arbeit offenbarte: Simon Keenlyside war erstmals in Barrie Koskys von jenen, die nie für ihre Karte bezahlen, gelobter Arbeit in Wien zu erleben. Keenlyside war bereits nach dem ersten Akt Sieger nach Punkten. Der Engländer spürt ja immer den psychologischen Hintergründen der darzustellenden Figuren nach. Legte die Kosky’sche Ignoranz der Szenenanweisungen von Piave und Verdi bereits in der Lady großen Szene im ersten Akt bloß: Er, der doch gar nicht auf der Bühne sein sollte, zog alle Aufmerksamkeit an sich, während die Lady der Anna Pirozzi mit den gesanglichen Tücken der ihres Rezitativs amputierten Arie kämpfte.

Ähnliches begab sich in der Szene der Erscheinungen im dritten Akt: Keenlyside lief im einzigen Lichtkegel hin und wider, bemüht, dem Publikum Macbeths Horror darstellerisch wie gesanglich verständlich zu machen. Doch da Kosky mit der ihm gewährten Macht des Spielvogtes verfügt hat, daß diese Erscheinungen für das Verständnis des Publikums offensichtlich nicht von Belang sind und daher zu unterbleiben haben, war alles, was ich sah, ein aufgeregt wirkender Mensch. Es hätte sich ebenso um Edmond Dantes in seiner Zelle des Château d’If nach der ersten Begegnung mit dem Abbe Faria handeln können. Oder um den Hauptmann Melzer in der Nacht vor der Bärenjagd mit dem Major Laska …

Im Ende gibt Kosky die Idee des beleuchteten Spielzentrums auf, plaziert (weil noch Musik übrig ist?) den doch bereits toten Macbeth auf der Vorderbühne und läßt dahinter den Vorhang fallen. Da stand also Keenlyside im Lichtkegel wie Rigoletto in Pierre Audis mißlungener Wiener Inszenierung. Was folgte, war eine belanglose Bebilderung der letzten Szene mit zwei Stühlen und zwei Raben. (Ich sagte dies bereits.)

IV.
Gesanglich überzeugte Simon Keenlyside nur bedingt. Seine Stimme präsentierte sich, zumal wenn er ihr forte oder fortissimo gesungene Phrasen abverlangte, trocken und manchmal spröde, mit relativ großem Vibrato. Das war selbst in Pietà, rispetto, amore nicht zu überhören, obgleich hier die Phrasen sicherer gelangen. Auf der Habenseite steht des Engländers Stimmkultur, wie er sie immer noch einzusetzen weiß und sie selten geworden ist auf unseren Bühnen. Angesichts dessen scheint die Frage müßig, ob dieser Macbeth einer in der Tradition der genuinen Verdi-Baritone ist: Diese Gattung ist ausgestorben.

V.
Riccardo Fassi stellte sich in Wien erstmals in der Partie des Banco vor. Dem ausgiebigen Gebrauch von portamento nicht abgeneigt, hinterließ er dennoch wenig Eindruck; — sieht man von einigen nachgedrückten tiefen Tönen und einer wenig differenzierenden Gesangsleistung ab. Was soll man davon halten, wenn ein Banco nach seiner Arie keinen Applaus erhält? Dieser erst am Ende der Szene, und auch dann nur zögerlich, einsetzt?

Freddie De Tommaso stattete den Macduff mit Stentorstimme aus. Ah, la mano paterno eignete ebensowenig die von Verdi gewünschte Melancholie wie das vorgeschriebene piano. Das Zarte scheint De Tommasos Domäne nicht: Wenige Takte später im die Szene beschließenden Ensemble klang des Tenors Stimme in einer solo zu absolvierenden, piano notierten Phrase fahl, fast kraftlos.

VI.
Anna Pirozzi gilt als eine der gefragtesten Interpretinnen der Lady Macbeth. So überraschten die hörbare Mühe bei der Bewältigung von Teilen der Partie, die zum Teil schlechte Wortdeutlichkeit und manch unfokussierter Spitzenton. Die gesangstechnischen Schwierigkeiten scheinen Pirozzi wenig Raum für eine aus der Stimme geborene Darstellung zu lassen. Doch dort erst wandelt sich Handwerk zur Kunst.

Am besten, weil mit zurückgenommenem Ton, gelang La luce langue. Weder in der Lady ersten noch in deren finalen Szene erwuchs aus dem Gesang der Charakter der Figur: hier der Drang zur Macht, dort die nahen Tod kündigende Verwirrung. Pirozzi formte die Töne oft mit dem Mund; bei in Richtung des passaggio absteigenden Phrasen verebbte die Stimme immer wieder vor dem Ende.

VII.
Dieses Werk von Verdi, in Koskys Inszenierung: mißlungener Versuch eines Kammerspiels, wo große Oper und italianità am Platze wären.

Liebe Grüße

Willi?

Giuseppe Verdi, „MACBETH“, 21. 11. 2022, Wiener Staatsoper

© Susanne Wismühler-Glattauer

Zwei Zitate drängen sich angesichts der Regiearbeit Barrie Koskys auf: die Einschätzung des Lebens durch den Titel(anti)helden als „Il racconto d’un povero idiota“, und das aus Götz von Berlichingen – nein, nicht dieses, das andere: „Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“. In diesem Fall ist leider auf der Bühne sehr wenig Licht und sehr viel Schatten, im doppelten Sinn. Sollte dem Rechnungshof irgendwann auffallen, dass für dieses Machwerk eine brauchbare, erst sieben Jahre alte Inszenierung verramscht wurde, könnte den Hütern der Steuergelder noch ein drittes in den Sinn kommen: „Mich fasst Verzweiflung, foltert Spott“.

Macbeth, Simon Keenlyside

Simon Keenlyside lotet die Rolle der ebenso machtsüchtigen wie an sich selbst zweifelnden
Königs Macbeth voll aus.

Bei dem Wenigen, was dem Regisseur zu Verdis Meisteroper eingefallen ist, wünscht man sich, es wäre ihm nicht eingefallen: etwa bei den nackten Statisten, deren surreale Bewegungen er vielleicht selbst versteht. Hoffentlich. Diese Szenen sorgen zwar immer wieder für Erheiterung. Der Haken ist nur, dass Macbeth keine Buffo-Oper ist. Besonders unangenehm fällt in Zeiten der angeblichen Gleichberechtigung auf, dass die Damen ihre Brüste zur Schau stellen müssen, während die Herren ihre Kronjuwelen verstecken.

Wenigstens originell sind die toten Raben, die leitmotivartig wiederkehren und vor ihrem Ableben in der Mauser gewesen sein dürften: statt Blut zu vergießen werden Federn gelassen, nicht nur von den Vögeln, sondern auch von der Titelfigur bei seiner Sterbeszene, die keine ist, denn nach seinem Tod steht er ungerührt auf und nimmt auf einem Sessel Platz. Dabei leisten ihm einige der offensichtlich reanimierten Vögel Gesellschaft. Zuvor hat seine Lady bei ihrer Schlafwandelszene in einem Raben, der von ihr zärtlich gestreichelt wird, einen aufmerksamen Zuhörer. Das Tierchen ist ausgesprochen drollig und hat das Zeug zum Publikumsliebling: alles sehr lieb, nur hat es so gar nichts mit Macbeth zu tun.

Worin die Leistung des restlichen Leading Teams besteht, hat sich mir nicht erschlossen. Als Beispiel sei nur Klaus Bruns genannt, dessen Beitrag zur Kostümierung sich in praktisch einheitlichen schwarzen Mänteln und einem weißen Nachthemd für die Lady erschöpft. Dazu bräuchte man keinen Kostümbildner, eine Großbestellung bei Amazon hätte es auch getan. Und nein, umgeschnallte Plastikpenisse können auch bei großzügiger Auslegung nicht als Bekleidung durchgehen.

So weit, so deprimierend. Gäbe es nicht Verdi und einige großartige Solisten, man müsste dem Rat eines hochrangigen Politikers folgen und sich mit Alkohol oder Psychopharmaka zudröhnen, am besten mit beidem. Man geht aber längst nicht mehr wegen, sondern trotz der Inszenierung in die Oper, und solange sich das Haus Ausnahmekünstler wie KS Sir Simon Keenlyside leisten kann, ist die Publikumsvertreibung noch nicht ganz gelungen. Sir Simon liefert am laufenden Band Rollenporträts ab, die ihm, wäre er ein Filmschauspieler, eine Oscar-Nominierung nach der anderen einbringen würden. Dazu klingt sein weicher, sonorer Bariton auch im reiferen Alter jugendlich frisch, voller Saft und Kraft, und sein Vortrag ist schlicht atemberaubend. In Macbeths rezitativartigen Monologen, die bei weniger präsenten Sängern leicht zur Ermüdung des Zuhörers führen, hielt er mühelos den Spannungsbogen von der ersten bis zur letzten Sekunde. Eine derartig hypnotische Wirkung geht nur von ganz, ganz wenigen großen Sängern aus. Als besonderes Zuckerl kam man auch in den Genuss seines Schlussmonologs „Mal per me“, der üblicherweise gestrichen wird. Die Premiere fand ja mitten in de Pandemie statt, wodurch seine Schlussworte eine spezielle Bedeutung gewannen: „Vil corona, e sol per te“.

Wie jede Lady stand auch Anna Pirozzi vor der Herausforderung, in nicht weniger als vier großen, schwierigen Arien und etlichen Ensembles Momente der Dramatik ihrer Rolle gerecht zu werden., ohne die Trommelfelle ihres Publikums zu schreddern. Bis auf einen entgleisten Spitzenton in ihrer Auftrittsarie, den man ihr schnell verziehen hatte, gelang ihr das sehr gut. Der Spinto-Sopran ist kräftig und von angenehmer Wärme, die musikalische Gestaltung zufriedenstellend. Von der Regie weitgehend allein gelassen, beschränkte sich ihre Darstellung auf konventionelle Gesten. Schlafwendeln durfte sie auch nicht, was dieser Schlüsselszene viel von ihrer Wirkung genommen hat.

Bei Macbeths Gegenspielern hatte Macduff die Nase vorn. Zwar konnte Freddie De Tommaso in seiner großen Arie der Versuchung nicht ganz widerstehen, mit seinem gewaltigen Tenor zu protzen: verständlich, wenn man mit solchen Stimmbändern gesegnet ist. Nichtsdestoweniger gelang ihm die Szene sehr ergreifend, und er konnte die Trauer über den Verlust seiner Familie glaubhaft machen. Verdi liegt ihm jedenfalls wunderbar in der Kehle. Riccardo Fassi konnte als Banco nicht ganz mithalten, er schien mir noch etwas zu jung für dies kurze, aber überaus wichtige Rolle. Es ist ja auch sein persönliches Pech, dass bei der letzten Premiere Ferruccio Furlanetto die Latte unverschämt hoch gelegt hat. Carlos Osuna als künftiger König Malcolm, Jusung Gabriel Park als Arzt und Aurora Martens als Kammerfrau erfüllten solide ihre Aufgaben.

Habt acht, uns dräuen üble Streich“, könnten sich die Damen und Herren des Staatsopernchors gedacht haben, als man sie dazu verdonnerte, aus dem Off zu singen, während Statisten auf der Bühne ihre sinnbefreiten Aktionen ausführten, und damit um die Halbe Wirkung brachten; eine Unsitte, die ich bisher nur aus Freiluftaufführungen kannte und die meiner Meinung nach in einem seriösen Opernhaus nichts verloren hat. Erst beim „Patria oppresa“-Chor durften sie auf der Bühne ihr beachtliches Können zeigen.

Zum Glück ist noch niemand auf die Idee gekommen, das Orchester zu verlegen, und das ist gut so. Unter Giampaolo Bisanti spielten die Philharmoniker in Hochform, schön auf Zug und mit tollen Kontrasten zwischen der Wärme der Streicher und den kräftigen Tönen der Bläser. Das war Verdi vom Feinsten, und in einer bühnennahen Loge kommt man in den vollen Genuss der Klangwolke. Für mich hat das Suchtpotential und macht so manche szenische Verirrung erträglicher.

Apropos: am Samstag freue ich mich auf eine klassische Tosca, die den Polizeichef auf herkömmliche Art erdolcht und nicht rupft.

Liebe Grüße

Willi?

WIEN / Staatsoper: MACBETH

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Simon Keenlyside (Macbeth), Anna Pirozzi (Lady Macbeth). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / MIchael Pöhn

WIEN / Staatsoper: MACBETH

12. Aufführung in dieser Inszenierung

24. November 2022

Von Manfred A. Schmid

Worte können fatale Folgen haben. Das gilt nicht nur für die Prophezeiungen der Hexen, die in der Oper Macbeth, basierend auf Shakespeares blutigem Königsdrama, eine verhängnisvolle Mordserie auslösen, sondern auch für Lady Macbeths Aussage „Ich hülle mich in dichtes Dunkel, damit der Dolch nicht sieht, welche Brust er trifft“. Regisseur Barrie Kosky war davon offensichtlich so angetan, dass er beschloss, in seiner Inszenierung gleich die ganz Bühne (Klaus Grünberg) dauerhaft in dichtes Dunkel zu tauchen. Zu sehen sind meist nur Macbeth und seine Frau, die vorne stehen, wo sie von einer Art absenkbarem Salamander, wie er in Großküchen zum Erwärmen von Speisen zum Einsatz kommt, beleuchtet werden. Nur Macduff, Malcolm und Banco, wichtige Personen am Königshof, dürfen hin und wieder nach vorne treten, Interaktionen gibt es kaum. Alle übrigen Personen der Handlung treten kaum in Erscheinung, von der Begrüßung des Königs Duncan hört man nur die Jubelrufe, weil sie im Off stattfindet, und der zentrale Chor der Hexen bleibt überhaupt unsichtbar. Dafür tummeln sich immer wieder rund dreißig nackte Damen und Herren auf der Bühne, wälzen sich auf dem Boden, klüngeln sich zusammen und trennen sich dann wieder. Was das soll, bleibt auch beim zweiten Besuch dieser Inszenierung rätselhaft. Das Ganze nennt sich „Kammerspiel“ und wird von Verfechter des Regietheaters als große Errungenschaft hochgejubelt, gibt aber Opernfans die Möglichkeit, den Blick mit Schaudern abzuwenden und sich einmal ganz auf die Musik zu konzentrieren. Und das lohnt sich diesmal ganz besonders.

Das von unbändigem Ehrgeiz angetriebene Herrscherpaar ist top besetzt und bestens aufeinander eingespielt. Erst vor einem Jahr sind Anna Pirozzi und Simon Keenlyside im London in diesen Rollen in einer Aufführungsserie – hoch gefeiert – aufgetreten, nachdem Pirozzi bereits 2018 neben Anna Netrebko als Zweitbesetzung für die Lady Macbeth eingesetzt worden war. Man kann davon ausgehen, dass die dabei gemachten Erfahrungen beiden auch in dieser sonderbaren Inszenierung zu Gute kommen. Besonders Keenlyside scheint sich nicht so sehr von den regielichen Vorgaben einengen zu lassen, sondern nützte jede Gelegenheit, um der Person des machthungrigen, durch Mord und Totschlag an die Macht gekommenen und von seinen Bluttaten heimgesuchten Macbeth darstellerisch ein zutreffendes Profil zu verleihen. Dazu trägt auch seine fein timbrierte, eingängigen Stimme bei, die zwar nicht den heldenhaften Verdi-Baritonen zuzurechnen ist, aber gerade dadurch Macbeths psychische Verfassung trefflich auslotet, ist diese doch der Grund dafür, dass er dem Machtanspruch nicht gewachsen ist und immer wieder in Phasen der Reue und quälender Gewissensbisse verfällt.

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Simon Keenlyside (Macbeth) und Freddie de Tommaso (Macduff). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Anna Pirozzi fesselt von ihrer Bühnenpräsenz das Publikum und schlägt es schon mit ihrer ersten Arie „Vieni t’affretta“ in ihren Bann. Auch darstellerisch weiß sie zu überzeugen Sie ist die Antriebskraft hinter Macbeth, die ihn mit kraftvoller Körpersprache und funkelnden, Energie verströmenden Blicken zu immer neuen Morden anstachelt, die sich in „Schiudi, inferno“ mit mächtiger Stimme über das gesamte Ensemble erhebt und dabei auch die aufwühlenden Orchesterklänge übertönt. Berührend dann ihr Zusammenbuch in der Wahnsinsszene. Nur noch ein Häufchen Elend, das sich, vom Arzt und ihrer Kammerfrau sorgenvoll bemitleidet, in mit zartesten Pianissimo gehauchten, sinnlosen Äußerungen verliert.

Nicht sehr viel zu singen gibt es für den Tenor. Freddie De Tommaso als Macduff weiß aber die ihm anvertraute Arie „Ah, la paterna mano“ gut zu nützen und berührt mit seiner Wehklage über den Verlust seiner Kinder und seiner Frau, die er allein gelassen hat, als sie ihn am meisten gebraucht hätten. Am Schluss wird er als Held nicht nur vom Volk gefeiert, sondern gleich darauf auch vom begeisterten Publikum. Hier darf sich der bestens eingestellte Staatsopernchor endlich auf der Bühne zeigten, nachdem er – als neben Macbeth und Lady Macbeth die gewdiss wichtigste Stimme in dieser Oper – in den Hexenchören im Verborgenen wirken musste, weil Regisseur Kosky an ihrer Stelle lieber eine Schar nackter Gestalten auf die Bühne habe wollte.

Carlos Osuna ist als Malcolm eine tadellose Hausbesetzung.  Riccardo Fassi singt als Banco im ersten Akt durchaus auf Augenhöhe mit seinem Generalskollegen Macbeth. Da die Interaktion zwischen beiden in dieser Inszenierung leider sehr eingeschränkt ist, kann sich der italienische Bass allerdings darstellerisch kaum entfalten.

Von den Nebenrollen seien stellvertretend Aurora Marthens als Kammerfrau sowie Chiara Bammer genannt, die nach dem Hirten in ´der Tosca am Tag zuvor nun auch als eine der  „Stimmen der Erscheinungen“ entrückte, überirdisch klingende Töne einbringen kann.

Was die Besetzungsstrategie bei der Verpflichtung von Dirigenten betrifft, hat die Staatsoper mit der derzeit von manchen politisch überkorrekten Wächtern geforderten Vermeidung „kultureller Aneignung“ keinerlei Probleme. Wenn italienische Opern auf dem Spielplan stehen, stehen so gut wie immer auch italienische Dirigent am Pult. Diesmal ist es Giampaolo Bisanti, der seine Sache gut macht, es an einer gute Portion Italianita nicht mangeln lässt und die Abstimmung mit den Akteuren auf der Bühne und den Chören im Abseits stets firm in der Hand hat.

Herzlicher Applaus.

Liebe Grüße

Willi?

24. 11. 2022, „MACBETH“ – Staatsoper

© Traude Steinhauser

Spannendstes Musiktheater gab es mit diesem „Macbeth“ zu erleben, packender noch als zur illustrer besetzten Premierenserie. Barrie Koskys finstre Version, die eindrucksvolle Bilder und uninszenierte Szenen – der Rezensentin fielen „Des Kaisers neue Kleider“ ein – vereint, wirkte auch mit Anna Pirozzi und Simon Keenlyside als Monsterpaar beklemmend. Ganz besonders der Titelheld, vokal in exzellenter Form, besticht durch volle gesangliche wie darstellerische Identifikation mit der Rolle des seiner Gattin verfallenen, an sich schwachen Mannes, den Hörigkeit und Ehrgeiz zum Massenmörder machen. Dass sein schöner Bariton nicht so rund und belkantesk wie der seines Rollenvorgängers Luca Salsi klingt, tut der außergewöhnlichen Interpretation keinen Abbruch.

Anna Pirozzi als Anstifterin der bösen Taten kann wirklich hohl und teuflisch klingen, wie vom Komponisten gefordert, obwohl ihr gewaltiger Sopran keineswegs hässlich und auch feiner Nuancen fähig ist. Dass eine so große Stimme auch beweglich ist, stellt man erfreut bei den Koloraturen des ersten Aktes und der Bankettszene fest. Die Stärke, die ihre Rollenauffassung kennzeichnet, bewahrt sie selbst in der Schlafwandelszene – sie ist zwar verwirrt, aber ungebeugt.

Neu war mit Riccardo Fassi auch die Partie des Banco besetzt, und sein sonorer Bass ließ musikalisch keine Wünche offen. Die schwarze Einheitskutte und die Bühnenfinsternis lassen allerdings keine Beurteilung seiner Persönlichkeitsstärke zu und verhindern bei den Einzelvorhängen eine Abstufung des Applauses. Freddie De Tommaso,

Freddie De Tommaso als Macduff in Macbeth
Freddie De Tommaso als Macduff in Barrie Koskys Insze­nie­rung von Giuseppe Verdis Macbeth an der Wiener Staats­oper.
(Foto: Michael Pöhn / Wiener Staats­oper)

der sich ansagen ließ, hatte allerdings auch eine laute Beifallskundgebung für seine hochemotionale, ergreifende Klage um die Opfer des grausamen Paares und das Vaterland verdient – seine Indisposition wäre unbemerkt geblieben, wäwre er nicht angesagt worden. Carlos Osuna als Malcolm klingt eindrucksvoller als frühere Hausbesetzungen dieser Rolle, und Aurora Martens als Kammerfrau sowie Iusung Gabriel Park als Arzt vervollständigten untadelig die Besetzung. . Der Chor, der größtenteils aus dem Off erklang, erfüllte seine umfangreiche Aufgabe ebenfalls großartig.

Im Orchestergraben waltete mit viel Italianità Giampaolo Bisante, der das Orchester zu zahlreichen Höhepunkten führte und den Abend zum Fest werden ließ.

Liebe Grüße

Willi?

 

27. 11. 2022, „MACBETH“ oder ein Blick in die Abgründe der Seele

Schon nach wenigen Takte war klar: hier erlebte eines der Meisterwerke von Giuseppe Verdi – nach William Shakespeare – eine grandiose Realisierung. Unter dem hochtalentierten Dirigenten Giampaolo Bisanti entwickelte das Orchester der Wiener Staatsoper ein solches „Klangwunder“, dass es allein den Abend auszeichnete. Dazu kam eine „Traumwelt des Bösen“ in der Regie von Barrie Kosky: Traumelemente bei der irrationalen Reise nach innen. Psychoanalyse lange vor Sigmund Freud.

Letztlich entscheidet die Besetzung der 1847 uraufgeführten Oper. Vor allem der Sänger der Titelrolle und seine Lady werden gefordert – und die Staatsoper hatte da wirklich viel zu bieten: Simon Keenlyside in der Titelrolle setzt eine Linie von Sherill Milnes, Kostas Paskalis und Renato Bruson fort. Er ist kein Schlächter oder Serienmörder – er ist ein Verführer seiner vom Ehrgeiz zerfressenen Ehefrau. Keenlyside ist auch vokal perfekt – er ist dramatisch und zugleich lyrisch und wächst im Laufe der Vorstellung über sich hinaus. Und das gleiche gilt für die Lady der Italienerin Anna Pirozzi. Ich würde ihr zwar nicht raten, allzu oft die Lady Macbeth oder die Abigaile (Nabucco) zu übernehmen. Aber noch erzielt sie trotz einiger scharfer Töne mit ihren Koloraturen die gewünschte Wirkung. Vor allem die Auftritts-Szene wird bejubelt und die Bankett-Szene macht ebensolchen Eindruck, wie wenn sie zuletzt in der Schlafwandel-Szene „hinauf singt“ – da bereitet sich der große Schlussjubel“ vor.

Ausgezeichnet auch der Rest der Besetzung: Riccardo Fassi ist ein hervorragender Banco – ein „schwarzer Bass“ mit Belcanto-Qualitäten:

Riccardo Fassi Opera Singer

Das Foto aus dem neuen Merker stand online leider nicht zur Verfügung.

Als einspringender Macduff rettet der US-Tenor Joshua Guerrero die Vorstellung mit weichem Tonansatz – und schönem Timbre. Positiv fielen auf : Carlos Osuna als Malcolm und Justus Gabriel Park als Arzt. Auf gewohntem Niveau war der Wiener Staatsopernchor. (Leitung Thomas Lang.).

Alles in allem: ein großer Abend an der Wiener Staatsoper…

© Peter Dusek

Liebe Grüße

Willi?

P.S. Dies war die letzte Folge der Rezensionen zum Macbeth vom 18. 11. bis 27. 11. 2022 in der Wiener Staatsoper.

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