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Johannes Brahms – Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh & Alt-Rhapsodie

Hallo

Mit dem Zyklus „Vier ernste Gesänge Opus 121“ vollendete Johannes Brahms sein Liedschaffen. Auch sein Gesamtwerk findet damit beinahe sein Ende. Anschließend komponierte er nur noch die „Orgelvorspiele Opus 122“. Durch den Bezug auf biblische Quellen entziehen sich die Gesänge den sonst üblichen Parametern der Vertonung lyrischer oder dramatischer Werke. Man kann sich die Frage stellen: Sind es noch Kunstlieder im herkömmlichen Sinne?
Brahms widmete die Gesänge seinem Freund Max Klinger, dessen Vater kurz zuvor gestorben war. Tatsächlich sind sie jedoch Ausdruck seiner eigenen Niedergeschlagenheit über Krankheit und Tod der langjährigen „Überfreundin“ Clara Schumann und den bevorstehenden eigenen Tod. Freilich war sein „Freundschaftstempel“, wie er selbst seine Beziehung zu Clara Schumann bezeichnet hatte, wenige Jahre zuvor an rechtlichen und finanziellen Themen weitgehend zerbrochen. Gleichzeitig stand ihm nach seiner Krebsdiagnose das eigene Ende vor Augen.
So sind die Texte, die überwiegend auf das Alte Testament zurück gehen, von einer nihilistischen, geradezu trotzlosen Aussicht über die eigene Endlichkeit geprägt. Möglicherweise waren sie seine Möglichkeit über das zu sprechen, worüber er nicht sprechen konnte. Sicher waren sie Ausdruck seiner agnostischen Glaubenshaltung. Gleichzeitig fürchtete er sich vor den Liedern und scheute sich, sie im Konzertsaal zu hören. Nach außen hingegen verniedlichte er die Stücke und bezeichnete sie als „ein paar kleine Liederchen“.
Die Gesänge sind für tiefe Stimme komponiert. Daher waren sie lange Zeit ausnahmslos männlichen Interpreten vorbehalten. Das hat sich mittlerweile wie auch bei der Winterreise oder der Dichterliebe geändert. Helmut Deutsch hat sie mit Brigitte Fassbaender aufgeführt, die sie auch mit Elisabeth Leonskaja auf Platte aufgenommen hat. Auch Janet Baker, Nathalie Stutzmann und Kathleen Ferrier haben die Gesänge interpretiert. Kathleen Ferrier hat sie sowohl mit Klavierbegleitung, als auch in der Orchestrierung von Malcolm Sargent, die dieser eigens für sie anfertigte, dargeboten. In diesem Fall in englischer Sprache
Während die ersten drei Gesänge bereits 1892 vollendet waren, war der Zyklus am 7. Mai 1896 – seinem 63ten Geburtstag – abgeschlossen. Mit den Worten „Das habe ich mir heute zum Geburtstag geschenkt“ zeigte er sie dem Musikkritiker Max Kalbeck.
Der erste Gesang „Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh“ liegen Worte des Predigers Salomo (Kapitel 3, Ver 19 bis 22) zugrunde.
 
Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh;
wie dies stirbt,
so stirbt er auch;
und haben alle einerlei Odem;
und der Mensch hat nichts mehr denn das Vieh:
denn es ist alles eitel.
 
Es fährt alles an einen Ort;
es ist alles von Staub gemacht,
und wird wieder zu Staub.
Wer weiß, ob der Geist des Menschen aufwärts fahre,
und der Odem des Viehes unterwärts
unter die Erde fahre?
 
Darum sahe ich, daß nichts bessers ist,
denn daß der Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit,
denn das ist sein Teil.
Denn wer will ihn dahin bringen,
daß er sehe, was nach ihm geschehen wird?
 
Zuerst stelle ich die Einspielung von Matthias Goerne mit Christoph Eschenbach ein. Es gelingt den beiden meines Erachtens vollkommen, die Stimmung absoluter Verlorenheit und Hoffnungslosigkeit zu erzeugen. Sie verschaffen dem Stück dadurch eine geradezu unheimliche Authentizität.
 
In der folgenden Aufnahme wird Nathalie Stutzmann von Inger Södergren am Flügel begleitet.
 
Hier die erwähnte Orchesterfassung mit Kathleen Ferrier. Der Arrangeur Malcolm Sargent dirigiert das BBC Symphony Orchestra.
 
“Verflucht ernsthaft und dabei so gottlos, dass die Polizei sie verbieten könnte – wenn die Worte nicht alle in der Bibel ständen.“
(Brahms über seine Vier ernsten Gesänge; Richard Specht: Johannes Brahms)
 
Gruß Wolfgang

Lieber Wolfgang,

In Deinem Text steht: »Tatsächlich sind sie jedoch Ausdruck seiner eigenen Niedergeschlagenheit«

Die Worte »Krankheit und Tod« lasse ich nun einmal weg und möchte auf eine Brahmssche Niedergeschlagenheit in seinen noch jüngeren Jahren – er war 36 Jahre alt – hinweisen, die auch in einer Komposition zum Ausdruck kam, nämlich in seiner »Alt-Rhapsodie« – genauer ausgedrückt – »Rhapsodie für eine Altstimme, Männerchor und Orchester op. 53«,  welche er in der nachfolgend beschriebenen Situation komponierte und die Anfang März 1870 in Jena zur Uraufführung kam.

Anfang Mai 1869 fuhr Brahms mit der Bahn von Wien nach Baden-Baden, wo man ihn die letzten beiden Jahre nicht zu Gesicht bekommen hatte, was aus einigen Verstimmungen resultierte. Clara war in Lichtenthal bei Baden-Baden in einem eigenen Häuschen mit ihren Kindern sesshaft geworden.
Brahms erlebte nun bei seinem erneuten Besuch in Baden-Baden gleich zwei Überraschungen: Seine Wirtin hatte inzwischen das Klavier verkauft und er musste sich schleunigst einen Ersatz beschaffen, was gelang. Bei der zweiten Überraschung war die Sache tiefgreifender – Clara eröffnete ihm, dass ihre Tochter demnächst heiraten wird, eine Mitteilung, die Brahms wie ein Faustschlag traf. Konkret erfährt er, dass sich Julie – es soll die schönste der Schumann-Töchter gewesen sein –  mit dem italienischen Grafen Vittorio Radicati di Marmorito verlobt hat.
Julie hatte den um einiges älteren Grafen, einen Witwer mit zwei Kindern, in südlichen Gefilden kennengelernt.

Brahms´ Verstimmung ist nicht zu übersehen, Clara Schumann hat die Situation so beschrieben: »Johannes war von dem Augenblick an, wo ich ihm Mittheilung von Juliens Verlobung machte, wie umgewandelt, er kommt selten und ist einsilbig; auch gegen Julie, gegen die er vorher so liebenswürdig war. Hat er sie wirklich lieb gehabt? Doch er dachte ja nie ans Heirathen und Julie hatte nie Neigung für ihn«. Von Hermann Levi hat sie dann erfahren, dass Brahms »Julie ganz schwärmerisch« lieb habe«.

Natürlich hat der Komponist auch diesen harten Schlag musikalisch verarbeitet, es entstand die »Alt-Rhapsodie« op. 53. Brahms selbst hat diese Alt-Rhapsodie in engen Zusammenhang mit der für ihn so überraschenden Verlobung von Julie Schumann mit dem Grafen Marmorito gebracht. In einem Brief aus Baden-Baden schreibt er an seinen Verleger Simrock: »Hier habe ich ein Brautlied geschrieben für die Schumannsche Gräfin – aber mit Ingrimm schreibe ich derlei – mit Zorn! Wie soll´s da werden!«.

Auch Clara hat ihre Sicht auf das Werk und schildert ihre Gefühle:
»Johannes brachte mir vor einigen Tagen ein wundervolles Stück, Worte von Goethe aus der Harzreise… er nannte es seinen Brautgesang, es erschütterte mich durch den tiefsinnigen Schmerz in Worte und Musik…. ich kann dies Stück nicht anders empfinden als wie die Aussprache seines eigenen Seelenschmerzes«

In diesem Haus nahm Brahms Quartier, wenn er in Baden-Baden weilte.

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