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Karl Richter – früher gelobt und heute belächelt

Diesen Thread möchte ich mit einem Musiker eröffnen, der zu seiner Zeit als ein herausragender Apologet der Musik von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel galt: Karl Richter. Seine Vita kann man in Grundzügen bei Wikipedia nachlesen, bei tiefer gehendem Interesse sei auf eine Vielzahl von Biografien verwiesen.

Unbestreitbar ist, dass Richter zu Lebzeiten einer der weltweit bekanntesten Interpreten der Musik Bachs und Händels war. Sein Stil war geprägt von Expressivität und impulsiver Musizierfreude, die aber gleichzeitig von Kritikern als zu „romantisch interpretiert“, weil er zu groß besetzte Chöre und Orchester verwendete, gegeißelt wurde. Die noch zu seinen Lebzeiten einsetzende historische Aufführungspraxis hat Richter nicht sonderlich interessiert, er blieb seinem Stil bis zu seinem Tode, der ihn mit 54 Jahren viel zu früh ereilte, treu. Richter hatte weltweit viele Anhänger und einer davon war John F. Kennedy. 1965 leitete Richter das zu Kennedys Ehren veranstaltete Gedächtniskonzert  in der New Yorker Philharmonic Hall – genau zwei Jahre nach dem Tode des Präsidenten.

Ich persönlich bin mit diesem Musizierstil aufgewachsen, bin mit ihr vertraut und möchte sie von daher nicht missen, muss aber auch gleichzeitig gestehen, dass mir die heute weltweit gepflegte Aufführungspraxis genauso wichtig ist

Aber Karl Richter war ja nicht nur ein Meister der Chormusik, sondern auch auf dem Cembalo und der Orgel maßstabsetzend. So sind die 1978 entstandenen Interpretationen der „Dorischen“ Toccata und Fuge d-Moll BWV 538 und die Passacaglia c-Moll BWV 582, die Richter auf der Silbermann-Orgel des Freiberger Domes eingespielt hat, bis heute gültige Interpretationen dieser Schlüsselwerke von Bach. Und seine Aufnahme der Goldberg-Variationen (1970 beim Label Deutsche Grammophon) zeigt ihn auch auf dem Cembalo als ein Meister seines Fachs. Ich hatte diese Aufnahmen in den originalen LP-Versionen, habe sie aber nach Einführung des CD-Mediums verkauft und bis heute leider nicht als CD wieder erstanden. Für mich waren Richter und Helmut Walcha die bedeutendsten Interpreten der Orgelmusik Johann Sebastian Bachs.

Da es bei „Troubadour“ aber nicht um Instrumentalmusik gehen soll, sondern um „Gesang“, will ich gerne darauf verweisen, dass es, wie man vielfach lesen kann, Richter zu verdanken ist, dass in den 1950er-Jahren Schallplattenaufnahmen mit klassischer Musik einem breiten Publikum bekannt gemacht wurden. Seine erstmalige Einspielung der Bachschen „Matthäus-Passion“, die bei der „Archiv-Produktion“ der „Deutschen Grammophon Gesellschaft“ 1958 herauskam, hat seinerzeit große Aufmerksamkeit wegen des interpretatorischen Riesenapparates erregt. Kritik und Lob hielten sich ungefähr die Waage. Seine Interpreten waren Ernst Haefliger (Evangelist), Kieth Engen (Jesus), Irmgard Seefried (Sopran), Antonia Fahberg (Erstes Weib, Pilatus’ Frau), Hertha Töpper (Zweites Weib), Dietrich Fischer-Dieskau (Arien), Max Proebstl (Judas, Petrus, Pilatus, Pontifex), Münchener Bach-Chor, Münchener Chorknaben, Münchener Bach-Orchester. Diese Aufnahme auf einer LP-Kassette wurde lt. Label-Angaben rund 50.000 Mal verkauft und war damit auch finanziell erfolgreich.

1964 hat Richter die „Johannes-Passion“ folgen lassen und hatte als Gesangssolisten Evelyn Lear, Hertha Töpper, Ernst Haefliger, Hermann Prey und Kieth Engen zur Verfügung. Auch bei dieser Einspielung war „sein“ Orchester, das Münchner Bach-Orchester, mit dem Münchner Bach-Chor wieder dabei.

1980 hat Richter noch einmal die „Matthäus-Passion“ aufgenommen; diesmal mit Mathis, Fischer-Dieskau, Baker, Schreier und Salminen als Gesangssolisten, den Regensburger Domspatzen (die von Georg Ratzinger einstudiert wurden) und dem Münchner Bach-Chor und -Orchester.

Meine Beurteilung des Interpreten Karl Richter ist eindeutig: Er ist einer der ganz großen Dirigenten im zwanzigsten Jahrhundert gewesen, den ich an vorderster Stelle der Musikinterpreten geistlicher Musik aus Barock, der Klassik bis hin zur Romantik im 20. Jahrhundert sehe. Er musiziert sicher nicht in dem Stil, den man heute bevorzugt, doch muss ich dabei auch immer an Richard Wagner denken, der in den Meistersingern Hans Sachs singen lässt: „Ehrt eure deutschen Meister“! Und ein Meister war Karl Richter!

Lieber Manfred,

Deiner Würdigung des großen Karl Richter, mit dessen Interpretationen ich auch aufgewachsen bin, möchte ich aus vollem Herzen zustimmen…

Das „Weihnachtsoratorium“ von 1965 mit dem unvergleichlichen Solistenquartett Gundula Janowitz, Christa Ludwig, Fritz Wunderlich und Franz Crass schätze ich über alles. Auch seinen „Messias“ aus dem gleichen Jahr (Solisten Gundula Janowitz, Marga Höffgen, Ernst Haefliger und Franz Crass), jeweils mit dem Münchener Bach-Chor und Bach-Orchester schätzee ich sehr. Beim Messias/ Messiah greife ich allerdings gerne auch zu der  überwältigenden Interpretation durch den mit unglaublicher Präzision singenden Mormon Tabernacle Choir unter Mack Wilberg. Alles ist eben Geschmackssache.

Und das hier ist schlicht wunderbar.

https://youtu.be/ILpciqtVgNEhttps://youtu.be/ILpciqtVgNE

Viele Grüße

Folco

 

 

Hallo lieber manfred, 

…….Er musiziert sicher nicht in dem Stil, den man heute bevorzugt ……

Richter war, wie auch viele Sängerinnen und Sänger, in seiner Zeit ganz wunderbar, aber es geht doch weiter, >bevorzugt< finde ich pers. keine gute Wortwahl, es ist Fakt wie HEUTE musiziert wird und das ohne wenn und aber! 

Ich habe mich schon früh dabei ertappt, dass ich das nicht mehr so hören wollte, denn die Musikforschung ist ja nicht stehen geblieben sondern hat sich stetig weiterentwickelt, man kann ja schon fast sagen Harnoncourt ist veraltet. 

Ich singe ja im Extra Chor eines sehr renommierten Chores, da sind auch noch ein paar ältere Sänger dabei, die dann oft sagen “ wir haben das aber früher anders gesungen, und die jungen Buben und Männer lächeln mich dann an und hinterher sagen sie, von dir kommen solche Sprüche nicht du bist mit der Zeit gegangen. Das macht mich mächtig Stolz von den jungen so akzeptiert zu werden 

Ich will dir weiß Gott nicht vorschreiben was und wie du hören sollst, aber HÖRE dir mal die NEUE Matthäus-Passion von Pichon an, das ist unglaublich gut und interessant! Wenn man im großen und ganzen hört wie jetzt Bach gesungen wird ist das doch die reinste Freude.

Ich höre mir ja viel Barock Musik an, wenn man das heute hört gegen über früher zu.B. Monteverdi, da liegen Welten dazwischen. Man muss noch nicht mal solange zurückgehen, die Händel Aufnahmen von Eterne in deutsch gesungen sind für mich nicht mehr zum anhören gewesen, alles aussortiert! 

Nimm es mir nicht übel! 

LG tiranno 

Ich kann deiner Einschätzung über die Qualitäten der Pichon-Aufnahme nur zustimmen, habe ich sie doch am 31. 3. 2022 live auf ARTE verfolgt, und zwar von der ersten bis zur letzten Note und habe meine Eindrücke hier niedergeschrieben:

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Aber ich bin kein Anhänger des „entweder – oder“  sondern des „sowohl – als auch“. Ich käme nie auf die Idee, wegen der aus mehreren von mir kurz dargestellten Gründen hervorragenden Aufnahme von Raphael Pichon diese ebenfalls, wie ich finde, herausragende Aufnahme Richters von 1958, die ich neben verschiedenen anderen hochrangigen in meiner Sammlung habe, auszusortieren:

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Liebe Grüße

Willi

Mir fiel noch eines ein, was auch nicht so oft vorkommt: Bei Raphael Pichon singt ja Julian Prégardien den Evangelisten, und vor vielen Jahren habe ich in Essen Julians VaterChritoph Pregardien  in einer ebenfalls begeisternden Aufführung der Matthäus-Passion dessen Vater Christoph Prégardien unter Philippe Herreweghe mit dem Collegium Vocale aus Gent erlebt. Das können sicherlich interessante Gespräche zwischen Vater und Sohn über die damalige und heutige Sichtweise der Interpretation der Passion gewesen sein.

Liebe Grüße

Willi

Es ist nicht meine Intention, einem Musikliebhaber meine Meinung über einen herausragenden Musiker einimpfen zu wollen. Für mich gibt es nicht, wie Willi geschrieben hat, das „entweder – oder“ sondern das „sowohl – als auch“. Ich mag insofern Toscaninis Opernaufnahmen und ich mag die neueren Dirigenten wie beispielsweise Frank Beermann.

Karl Richter und seine Münchner Chor und Orchester, die den Namen des großen Thomaskantors tragen, waren jedenfalls mal das Non plus ultra der Musikwelt, wenn es um die Musik des Barock ging, und ich will sie für mich nicht vom Thron stoßen.

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