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ADAMS, John: DER TOD VON KLINGHOFFER (The death of Klinghoffer)

John Adams (*1947):
THE DEATH OF KLINGHOFFER
(Der Tod von Klinghoffer)

Oper in zwei Akten mit Prolog
Libretto von Alice Goodman nach einer Idee von Peter Sellars
Originalsprache: Englisch
Uraufführung am 19. März 1991 in „La Monnaie“, Brüssel

PERSONEN DER HANDLUNG
Der Kapitän (Bariton)

Der Erste Offizier (Bass)
Die Schweizerische Großmutter (Mezzosopran)
Molqui (Tenor)
Die Österreicherin (Mezzosopran)
Leon Klinghoffer (Bariton)
Rambo (Bariton)
Mamoud (Tenor)
Die Britische Tänzerin (Mezzosopran)
Omar (Mezzosopran)
Marilyn Klinghoffer (Alt)
Chor und Ballett

Ort und Zeit: 1985 an Bord der „Achille Lauro“ vor dem Hafen von Alexandria.

Prolog
Zwei Chöre, der „Chor der verbannten Palästinenser“ und der „Chor der verbannten Juden“ stehen sich gegenüber. Sie präsentieren eine allgemein gehaltene Reflexion über die Geschichte ihrer jeweiligen Völker.

Erster Akt.
Der Kapitän der MS Achille Lauro erinnert sich an die Ereignisse um die Entführung seines Kreuzfahrtschiffes durch Palästinenser:
Die meisten Passagiere waren in Alexandria von Bord gegangen, um einen Ausflug zu den Pyramiden zu unternehmen. Nach der Ausschiffung der Ausflügler gelangten die Entführer ohne Probleme an Bord, und das Schiff verließ den Hafen, um vor Reede zu ankern. Es sollte später zurückkehren, damit die Landgänger erneut an Bord kommen konnten. Kaum an Bord gelang den Terroristen die handstreichartige Übernahme des Schiffes. Als erste Maßnahme befahlen sie den Passagieren, sich im Bordrestaurant einzufinden.
Der Kapitän hat das dramatische Geschehen überhaupt nicht mitbekommen; erst jetzt wurde er von seinem ersten Offizier Giordano Bruno über die Lage informiert. Darunter auch die betrübliche Nachricht, dass ein Kellner durch einen Schuss verwundet wurde.
Beide, Kapitän und Erster Offizier, geben sich im weiteren Verlauf des Geschehens viel Mühe, die Passagiere ruhig zu halten. Molqui, einer der Entführer, kommt mit seiner Waffe hinzu und erklärt den Passagieren die Situation. Der Kapitän gerät mit dem aufbrausenden Molqui aneinander und sagt ihm zu, dass er das Essen für sich und seine Leute aussuchen kann. Nach einem Blick auf die Uhr ordnet er an, für die Passagiere Essen und Getränke zu holen.
Nach einem „Ocean Chorus“ bewacht Mamoud, ein anderer Entführer, den Kapitän. Mamoud erinnert sich an seine Jugendzeit und denkt an die Lieder, die er damals im Radio gehört hat. Es kommt zu einem Dialog über den Nahostkonflikt zwischen den beiden. Dabei äußert der Kapitän die Meinung, dass sich Palästinenser und Juden zusammensetzen sollten, um zu einem friedlichen Miteinander zu kommen. Mamoud reagiert aufgebracht weist solche Ideen entrüstet zurück.
Es wird die Erzählung einer österreichischen Passagierin eingeblendet, die sich selbst in ihrer Kabine eingesperrt hat und von nun an nicht mehr gesehen wird. Der erste Akt endet mit dem „Nachtchor“.

Zweiter Akt.
Am Beginn dieses Aktes steht der „Hagar-Chor“, der die Geschichte von Hagar und dem Engel behandelt (Hinweis auf Genesis 16).
Molqui ist enttäuscht, dass seine Forderungen ohne Antwort geblieben sind. Mamoud droht allen Passagieren mit dem Tod. Leon Klinghoffer, der mit seiner Frau Marilyn die Kreuzfahrt aus Anlass des 36. Hochzeitstages gebucht hat, macht seinem Ärger über die terroristische Attacke der Palästinenser Luft. Er betont dabei, dass er normalerweise jedem Streit aus dem Wege geht, die gegen internationales Recht verstoßende Aktion der Terroristen aber energisch verurteilt. Das ist für den Entführer Rambo Grund, mit äußerster Schärfe gegen ihn vorzugehen. Seine Wut steigert sich zu Flüchen gegen Amerikaner und gegen Juden.
Die britische Passagierin, eine Tänzerin, weiß von dem Entführer mit Namen Omar nur Gutes zu berichten, weil er sie und die anderen Gäste an Bord freundlich behandelt und ihnen sogar Zigaretten angeboten hat. Omar glaubt an die gerechte Sache der Entführer, er wünscht sich sehnlichst das Martyrium, das ihn ins Paradies bringen wird. Nach einem plötzlich losgetretenen Streit mit Molqui schnappt der sich wütend Klinghoffer und nimmt ihn mit. Die Szene endet mit dem „Wüstenchor“.
Marilyn Klinghoffer ist durch die Dramatik der Ereignisse außer Fassung geraten und erwähnt die Behinderung ihres Mannes, der nach einem Schlaganfall an den Rollstuhl gefesselt ist; sie singt auch von Krankheit und Tod. Sie glaubt, dass ihr Mann ins Schiffskrankenhaus gebracht wurde. In Wirklichkeit wurde er jedoch von den Arabern erschossen, als erstes der schon angedrohten Erschießungsopfer – eine nur hör-, aber nicht sichtbare Szene.
Die Entführer haben dem Kapitän angedroht, alle fünfzehn Minuten einen weiteren Passagier zu töten; daraufhin bietet sich der (namenlose) Kapitän als nächstes Opfer an, um die ihm anvertrauten Passagiere zu retten. In die aufgeheizte Situation bringt Molqui die Nachricht, dass Leon Klinghoffer erschossen wurde. Mit der „Arie des fallenden Körpers“ nimmt Leon Abschied vom Leben. Der folgende „Day Chorus“ beendet diese Szene und leitet zugleich in die dritte Szene über.
Die Entführer haben aufgegeben und die Passagiere sind (in der Realität im Hafen von Port Said) von Bord gegangen. Es bleibt dem Kapitän jetzt die unangenehme Aufgabe, Marilyn Klinghoffer den Tod ihres Mannes mitzuteilen. Ihre Reaktion ist neben der Trauer über den Tod ihres Gatten auch von Wut über den Kapitän gekennzeichnet: Sie hält sein Handeln nämlich für eine Form der Unterstützung für die Entführer und sie sagt es ihm unverblümt auf den Kopf zu. Ihr letztes Wort ist dann der Wunsch, dass sie an Stelle ihres Mannes gestorben wäre…

© Manfred Rückert

Anmerkungen:
Adams Musik entspricht dem minimalistischen Stil, wie ihn auch Glass und Reich anwandten. Das Geschehen wird nicht durch die Darstellung der Ereignisse auf der „Achille Lauro“ erzählt, sondern findet zwischen den sichtbaren Szenen der Oper statt. Die Dramatik kommt in langen Monologen einzelner Handelnder zum Ausdruck, und in Kommentaren, die der Chor abgibt, ohne das der an der Handlung teilnimmt. Diese Chorstellen wurden seinerzeit separat aufgenommen. Insofern liegt hier eher eine dramatische Meditation vor, was das Stück näher an das Genre Oratorium rückt.

Die Oper hat, vor allen Dingen in den USA, Kontroversen ausgelöst. Manche Kritiker, aber auch Zuschauer, warfen den Autoren Antisemitismus vor und empfanden die Darstellung der Entführer als zu sympathisch. Goodman, Sellars und Adams wiederum wiesen wiederholt darauf hin, dass es ihnen auf Gleichgewichtigkeit ankam. Die Töchter der Klinghoffers, Lisa und Ilsa, die anonym an der Premiere 1991 in New York teilgenommen hatten, gaben hinterher folgende Erklärung ab:

Wir sind empört über die Ausbeutung unserer Eltern und den kaltblütigen Mord an unserem Vater als Kernstück einer Produktion, die uns antisemitisch erscheint.“ Adams sah sich veranlasst, bestimmte Szenen zu streichen und es dann grundsätzlich für zukünftige Aufführungen zu überarbeiten.

Die Anschläge vom 11. September 2001 nahm das Boston Symphony Orchestra zum Anlass, eine geplante Aufführung von Auszügen aus der Oper abzusagen. Hintergrund war, dass ein Mitglied des Tanglewood Festival Chorus ein Familienmitglied in einem der entführten Jets verloren hatte. Aber auch die Wahrnehmung, dass die Terroristen übermäßig sympathisch dargestellt wurden, spielte eine Rolle. In einem viel diskutierten Artikel der New York Times verteidigte Richard Taruskin die Aktion des Orchesters. Er nannte Adams und die Oper eine „Romantisierung von Terroristen“.

Kritisch sah auch die amerikanische Schriftstellerin und Feministin Phyllis Chesler Adams Oper. Sie räumte dem Opernhaus das rechtliche und künstlerische Recht ein, das Werk zu spielen, fand aber, dass darin der „Terrorismus sowohl musikalisch als auch im Libretto seliggesprochen wurde“.

Im Juni 2014 setzte die MET eine internationale Simulcast- und Radiosendung dieser Oper ab, weil die Sorge aufkam, dass sie dazu verwendet werden könnte, den globalen Antisemitismus zu fördern. Peter Gelb, General Manager der Met, erklärte:

Ich bin überzeugt, dass die Oper nicht antisemitisch ist, aber ich bin auch davon überzeugt, dass es in der internationalen jüdischen Gemeinde echte Besorgnis gibt, dass die Live-Übertragung von „Der Tod von Klinghoffer“ in dieser Zeit des zunehmenden Antisemitismus unangemessen wäre.“

In einer offiziellen Erklärung sagte Adams dazu:

Die Absage der internationalen Fernsehsendung ist eine zutiefst bedauerliche Entscheidung und geht weit über Fragen der künstlerischen Freiheit hinaus und führt dazu, dass dieselbe Art von Intoleranz gefördert wird, die die Kritiker der Oper zu verhindern behaupten.“

Anders der Kritiker Justin Davidson in einem Artikel des New Yorker Magazins: Er bestritt, dass die Oper antisemitisch sei bzw. den Terrorismus verherrliche. Schließlich sei die Titelfigur der moralische Kern der Oper, ein voll funktionsfähiger Mensch. Er hielt das Werk allerdings auch für unvollkommen und politisch beunruhigend, da historische Ereignisse zu erklären keine Aufgabe für eine Oper ist und auch nie war. […] Entscheidend ist, wie große Ereignisse ein menschliches Drama umrahmen, das in musikalische Form übersetzt wird.

Dieser Meinung war auch Oskar Eustis, künstlerischer Leiter des „Public Theatre“. Er schrieb, dass es nicht nur zulässig [sei], dass die MET dieses Stück spielt – es ist auch erforderlich, dass sie das Stück macht. Es ist eine kraftvolle und wichtige Oper.

Ich fand beim großen Urwaldfluss folgende Produktionen:

Adams: Death of Klinghoffer (Gesamtaufnahme)  Adams - Death of Klinghoffer / Randle, Sylvan, Howard, Maltman, Boutros, Melrose, Bickley, LSO by Sanford Sylvan

 

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