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Fundstücke

Liebe alle,

ich las heute verspätet eine Kritik zur Inszenierung von „Turandot“in Amsterdam – verantwortlich zeichnete Barrie Kosky. 

Hier der Text:

https://www.welt.de/kultur/article242479315/Barrie-Koskys-Turandot-Hier-ist-von-kultureller-Aneignung-keine-Spur-Leider.html

Ich finde den Text deswegen bemerkenswert, weil dem Rezensenten trotz aller Mühe nichts Positives an der Aufführung auffiel. Und er traut sich, das auch zu schreiben.

Dies ist nur ein Beispiel; mir fiel letzthin aber häufiger auf, daß vielerorts längst nicht mehr jede schräge Idee eines Regisseurs hymnisch bejubelt wird. 

Vielleicht kann man unter dem Faden „Fundstücke“ auf solche Texte verlinken. Das hält uns alle dann an manchen kalten Tagen warm…

Grüße!

Honoria Lucasta

 
 
 
Wie man halt leider auch ganz aktuell an diversen Wiener Bühnen sehen kann ?….
 
 
‼️
„Das Theater spielt völlig am Publikum vorbei“
von Judith Hecht
Interview. Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan erklärt, warum den Bühnen die Zuschauer davonrennen: Das Handwerk gehe verloren, stattdessen herrsche Doppelmoral. Vor unmusikalischen Opernregisseuren graut ihm.
Die Presse: Den Theatern und Opernhäusern fehlt das Publikum. Haben Sie als Regisseur dafür eine Erklärung?
Nikolaus Habjan: Ich finde das gar nicht erstaunlich. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Zum einen geht das Handwerk immer mehr verloren. In keiner Branche kann man so blenden wie am Theater. Je lauter, je extremer, umso mehr wird gefeiert. Ein Beispiel: Wenn sich jemand auf der Bühne ein Frankfurter in den Hintern steckt, ist das nicht Kunst. Aber man kann damit sehr berühmt werden. Dieses Blut-, Kacke-, Spermatheater mag ich überhaupt nicht, denn das zeigt, dass den Stücken nicht mehr vertraut wird.
Wie meinen Sie das?
Wenn sich Stücke über Jahrhunderte auf den Spielbühnen halten, hat das gute Gründe. Und natürlich ist es wichtig, sie aus heutiger Sicht zu betrachten. Nur, wenn ein Opernkritiker über meine „Tosca“-Inszenierung sagt: „Tosca ist wieder gesprungen. Wie langweilig“, denke ich mir: Stimmt. Aber so ist das Stück! Und es ist ein sehr spannendes. Diese Spannung will ich auf die Bühne bringen, und nicht mein Regie-Ego. Es tut mir leid, aber Cavaradossi bleibt Cavaradossi, Scarpia bleibt Scarpia und Rom bleibt Rom. Fertig. Ich will jene, die „Tosca“ zum ersten Mal sehen, in den Bann ziehen. Nicht jemanden, der schon Hunderte Inszenierungen kennt und sich wünscht, Tosca möge dieses Mal am Schluss mit dem Fahrrad in den Himmel aufsteigen.
Womit wir bei der Frage sind, für wen Intendanten und Regisseure heute Theater machen.
Das ist das nächste Problem: Ganz viel Theater wird heute fürs Berliner Theatertreffen gemacht und nicht fürs Publikum. Das fühlt sich außen vor. Warum haben massenhaft Zuseher ihre Theater-Abos gekündigt? Weil das Theater zunehmend zu einer seltsamen Problemlösungsinstitution wird. Nur: Theater kann nie Lösungen bieten. Nehmen wir „Nathan der Weise“: Diesem Stück wird immer unterstellt, es sei die Formel für den Weltfrieden. Das ist es aber nicht, es wirft Fragen auf. Genau dafür sind Stücke da. Mehr erwartet das Publikum auch nicht. Aber in der Theaterbranche glauben viele, Lösungen zu haben. Ich habe wirklich das Gefühl, das Theater geht mittlerweile vollkommen am Publikum vorbei.
Seit wann ist das so?
Seit der Trend begonnen hat, Realität auf die Bühne zu bringen. Aber Realität hat im Theater absolut nichts verloren. Wir müssen Realität verarbeiten und für Wahrhaftigkeit sorgen, das ist das Geheimnis.
Was heißt „Realität auf der Bühne“?
Wenn etwa jemand ein Stück über die Schrecken des Krieges macht, indem er Kriegsversehrte auf die Bühne stellt und sie dort über ihr Schicksal erzählen lässt. Das finde ich furchtbar, weil man diese Menschen auf diese Weise ausstellt. Viele Zuschauer machen dann emotional zu, um sich zu schützen. So ergibt sich kein kathartischer Moment. Theater ist die Lust an der Nachahmung. Sie macht es erst möglich, die Zuschauer tief im Herzen zu berühren. Und ich kann auch Denkanstöße geben, ohne gleich mit dem Holzhammer draufzuhauen. Wenn das gelingt, ist sehr viel erreicht. Noch etwas finde ich an der Theaterbranche sehr schwierig: Sie ist voll Doppelmoral.
Inwiefern?
Diese Cancel Culture ist bedrückend. Theater ist nichts, was mit Schlagzeilen und schnellen Lösungen funktionieren kann. Der Kontext ist das Wichtige, und auf der Bühne muss alles erlaubt sein. Ich bin Nichtraucher, aber mich stört, dass auf den Bühnen das Rauchen wegen der Vorbildwirkung verboten ist. Genauso stört mich, dass auf einmal bestimmte Wörter nicht mehr verwendet werden sollen. Das ist der falsche Weg! Das geht so weit, dass in Verona derzeit darüber nachgedacht wird, Bizets „Carmen“ nicht mehr aufzuführen.
Mit welcher Begründung?
Weil in dieser Oper angeblich ein Femizid glorifiziert wird. Aber das stimmt nicht. Das weiß jeder, der sich mit der Geschichte von Prosper Mérimée befasst hat. Jene, die „Carmen“ canceln wollen, haben das offenbar nicht getan. Dann wüssten sie nämlich, dass Don José kein Held, sondern ein Psychopath ist, der schon vor Carmen jemanden umgebracht hat. Das meine ich, wenn ich sage: Das Handwerk geht verloren.
Oder die Ernsthaftigkeit. Wie kann sich ein Regisseur erlauben, sich nicht mit dem Stück auseinanderzusetzen, das er inszenieren soll, oder ein Schauspieler nicht mit der Rolle, die er spielen soll?
Das weiß ich nicht. Und es nervt mich sehr, wenn Schauspieler zur Probe kommen, ohne ein Grundverständnis von ihrer Figur entwickelt und ohne ihren Text gelernt zu haben. Da brauchen wir gar nicht erst anfangen, denn worüber soll man dann diskutieren? Aber mittlerweile ist das die Norm, und damit beginnt der Teufelskreis der Doppelmoral: Einerseits will man ein offenes und unbeschriebenes Blatt sein und andererseits völlig selbstbestimmt agieren. Das ist schwierig. Denn wenn ich selbstbestimmt sein will, muss ich etwas mitbringen. Wer keine Ahnung hat, braucht sich nicht aufregen. Aber ich will nicht verallgemeinern: Ich habe gerade erst mit großartigen Schauspielerinnen und Schauspielern gearbeitet, und sie waren immer perfekt vorbereitet.
Wie ist das in der Oper, haben Sänger eine andere Disziplin?
Ja! In der Oper passiert das nicht. Sänger kommen zur ersten Probe und es muss jedes Wort und jeder Ton sitzen, sonst würden sie sofort rausfliegen. Es kommt allerdings vor, dass Regisseure mit dem Reclam-Büchlein erscheinen und von der Partitur keine Ahnung haben. Das ist für alle frustrierend, da kann nichts Gutes rauskommen.
Es gibt eben auch unmusikalische Regisseure.
Sicher, aber die sollten keine Opern inszenieren.
Apropos Inszenierungen: Staatsoperndirektor Bogdan Roščić hat zu Beginn seiner Amtszeit einige ältere Inszenierungen eingekauft. Eine gute Entscheidung?
Älter ist ja nicht schlecht. Ich finde es eher traurig, dass manche Inszenierungen so schlecht gewartet sind. Das gilt für die „Tosca“ (Anm.: die Produktion stammt von 1958), aber auch für die Neuenfels-Inszenierung von Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ von 1998. Das ist das Problem, das ich mit der Wiener Staatsoper habe. Egal.
Nein, ist es nicht.
Es gibt so viele wunderbare junge Regisseurinnen und Regisseure, denen man eine Chance geben sollte.
Warum, meinen Sie, passiert das nicht?
Weil man feig ist, Herr Roščić ist total feig. Man muss sich nur anschauen, welche Inszenierungen er eingekauft hat: Sie sind alt, aber nicht alt genug, um interessant zu sein. Das ist schade, denn auch berühmte Namen kann man an die Wand fahren. Warum also nicht mit tollen jungen Kollegen und Kolleginnen etwas wagen? Das wäre tausendmal spannender.
ZUR PERSON
Nikolaus Habjan wurde 1987 in Graz geboren. Er ist Regisseur, Puppenspieler und Kunstpfeifer. Er inszenierte am Burgtheater, Volkstheater, Grazer Schauspielhaus, Münchner Residenztheater und dem Landestheater St. Pölten Stücke für Puppen und Schauspieler. Ebenso zahlreiche Opern, darunter „Tosca“, „Salome“, „Die Entführung aus dem Serail“ und zuletzt „Die Zauberflöte.
Diesen Interessanten Artikel habe ich auf Facebook gefunden und möchte ihn hier zur Kenntnis bringen.
Erich
 

Inzwischen scheinen mehr und mehr Kritiker zu wagen, statt (bezahlter oder anbefohlener?) Lobhudeleien die irren Ideen des Regisseurstheaters aufzuzeigen. Gestern las ich eine Kritik über die „monströse“Inszenierung von „Ein Maskenball“ an der Oper Bonn in meiner Tageszeitung (Kölner Stadtanzeiger), die endlich einmal die Wahrheit sagt: Leider kann ich den Artikel hier nicht verlinken, sondern nur Auszüge daraus bringen:

Zitate:

Klar, wer eh schon tot ist, kann nicht mehr ermordet werden: In David Pountneys Bonner Inszenierung von Verdis „Maskenball“ entsteigt Riccardo zu Beginn einem Sarg und kehr am Ende dorthin zurück. Dem Maskenball, auf dem er dem Libretto zufolge den Tod finden soll,wohnt er unverkleidet als ein unbeteiligter (in ein Regiebuch vertiefter?) Außenstehender bei…Ein Untoter, ein Zombie? Oder der Regisseur einer Theatervorsellung, die ihn selbst und sein Leben zum Gegenstand hat? Oder die Fantasie einer Wahrsagerin Ulrica, die nichtnur in ihrer vom Libretto vorgegebenen Szene im ersten Akt, sondern vielmehr von Anfang an immer wieder präsent ist?
Who knows? Weil aber der Besucher einer Opernproduktion gemeinhin nicht mit unlösbaren, sich zwischen ihn und das Stück schiebenden Inszenierungsrätseln konfrontiert werden möchte, neigt er dazu, in solchen Fällen den Regisseur am Ende auszubuhen. Das geschah bei der Premiere ausgiebig – und zwar zu Recht.
Erkennbar ist allemal, dass Pountney die Traditionsoper gegen den Strich überkommener Lesarten bürstet.

Blutroter Höllenschein und eine durchgehaltene nächtliche Szenerie verleihen dem Ganzen das Ambiente eines Faschings der anderen Art, eines mönströsen Puppen Theters, einer grauslichen Halloween-Festivität, die in der letzten Szen nur ihren Gipfelpunkt erreicht: Die Maskenball-Besucher erscheinen als „Tode“ mit aufgemalten Skletten.
All dies kombiniert Pountney immer wieder mit unvermuteten Komic-Effekten(gleich schon beim Slapstick-Auftritt des Richters), die angesichts des Sujets allerdings deplatziert erscheinen. Nimmt er etwa – dieser Verdacht drängt sich auf – den tragischen Verdi nicht ernst
?

Überflüssig auch das Schwenken gelb-blauer Fähnchen am Ende des ersten Aktes( es sind tatsächlich schwedische, keine ukrainischen).

Auf der Hand liegt, das das psychologisch komplizierte Motivgefüge von Treue, Betrug und Verrat angesichts der Dominanz anderer Aspekte insgesamt unterbelichtet bleiben muss.

Die musikalische Seite und die Sängerbesetzung (auch der Nebenrollen) beschreibt der Rezensent hingegen als superb, so dass jemand den Besuch (Anmerkung: mit dichter Augenklappe) wagen könnte, der in der Oper keinen Wert auf das Bild legt.

Liebe Grüße
Gerhard

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