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Walküre in Erl

“ Spät kommt er doch er kommt.“  – Besser spät als nie! 

Impressionen von den Tiroler Festspielen in Erl mit Besuch der „Walküre“ von Richard Wagner 

Die Tiroler Festspiele haben sich die gigantische Aufgabe gestellt, mit Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ das größte und am schwierigsten zu realisierende Opern- Drama in vier Jahren komplett aufzuführen. Nach einer beeindruckenden und allgemein anerkannten „Rheingold“-Aufführung folgte in diesem Jahr die Walküre.

“““Ganz““

Am meisten beachtet und am heftigsten diskutiert wird heute meistens  die regieliche Leistung, die Deutung des Werkes, die Interpretation durch den Regisseur.  Das ist bereits eine gewisse Schieflage, denn gerade Richard Wagner schuf in seinen Musikdramen Gesamtkunstwerke aus Musik, Gesang, Text, Darstellung und bildhafter Realisation. Mich ärgert es, dass in modernen Rezensionen zum größten Teil über die Regie geschrieben, ellenlang darüber gerätselt wird, was der Regisseur mit dieser und jener Idee  denn gemeint haben könnte. Wobei es bereits als ein gewisses Versagen angesehen werden muss, wenn das Publikum sich ständig fragen muss: „Was ist damit gemeint?“ und resignierend feststellt „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“. Die Konzeption muss schlüssig die Gesamtsicht   der Handlung vermitteln und den Inhalt des Werkes erzählen und nichts anderes, egal mit welchem Stil traditionell oder modern und welchen Mitteln   dies versucht wird. Über die musikalische Leistung wird weit weniger berichtet und  die Sängerleistungen werden oft nur pauschalierend am Rande erwähnt.

Dem Zeitgeist folgend werde auch ich mit meiner Betrachtung mit der regielichen Umsetzung und einer Gesamtbesprechung der Aufführung  beginnen, jedoch versuchen, ausgewogen, über die Gesamtleistungen zu berichten.

Es ist ein Glücksfall, dass für die Regie für alle Ring- Abende und die Dauer der Aufführungen, verteilt über vier Jahre eine einzige Regisseurin verpflichtet wurde. Allein  durch diese kluge Entscheidung  wird eine geschlossene Konzeption und durchgängig einheitliche Linie begünstigt. Als nächsten entscheidenden Vorteil empfinde ich es, dass mit Brigitte Fassbaender eine Künstlerin verpflichtet wurde, die selbst jahrzehntelang als Sängerin Triumphe in zahllosen glanzvollen Bühnenauftritten und fast allen Partien ihres Fachs hatte. Von der interessierten Regielobby oder drastischer ausgedrückt Regiemaffia wird Sängerregisseuren gerne Inkompetenz unterstellt. Ich erlebte bisher nur , dass Sänger*innen die inszenieren sehr genau wissen, was sie tun und das Werk mit all seinen Herausforderungen bin ins Detail kennen, was bei modernen Regisseuren nicht immer der Fall sein soll .

Genau diese Vorteile prägten die Inszenierung von Frau Fassbaender. Ihr größtes Verdienst war, dass sie Wagner überhaupt nichts angetan hat. Was heute selten ist, die erfahrene Künstlerin vertraute mit sicherem Instinkt geprägt durch enorme eigene Erfahrung auf die Wirkung der Wagnerschen Musik, des Textes und der Handlung. Dadurch gab es Freiraum für die Sänger. Die äußerst geglückte Personenregie ohne Gags und Mätzchen ist eine ausgesprochene Stärke dieser Walküren Inszenierung. Obwohl diese durchaus als  gemäßigt modern bezeichnet werde kann, die Kostüme waren undefinierbare Alltagskleidung, es tauchten einige Gewehre auf, Hundings Hütte glich eher einer  spärlich eingerichteten Sozialwohnung. Das Bühnenbild waren durchweg zwei wuchtige Seitenwände aus Stein, dahinter ein schillernder Vorhang. Durch diesen konnte man nur teilweise sehen, erkannte schemenhaft eine Art Felsenlandschaft und das dahinter sitzende Orchester. Dieses sparsame Bühnenbild übte einen gewissen Reiz aus, weil es die Phantasie anregte, zu erkennen, was sich wohl hinter dem Vorhang verbarg und abspielte. Raffinierte Lösung speziell für das Passionsspielhaus, dass ja keinen Orchestergraben besitzt. Selbstverständlich spielte sich die Handlung in wechselnden Bildern auf der offenen Bühne ab.  Nicht nur die Werk immanenten Höhepunkte wie Walkürenritt und Feuerzauber überzeugten. Geradezu überwältigend waren die Szenen , in denen die Gebrochenheit und Hilflosigkeit der Charaktere dominierten, zum Beispiel als Sieglinde in einem blauen Nachtkleidchen zart und zerbrechlich auf der Bühne stand, Mitleid erregend durch das optisch erlebbare  Leid dieser schutzlos ihrem Schicksal ausgelieferten Frau. Genau so ergreifend wirkte wie Wotan beim Abschied  von Brünnhilde diese mit unendlicher  Zärtlichkeit in seinen Mantel einhüllte. Nur zwei Beispiele  dafür wie es Frau Fassbaender gelingt, intime Momente durch kleine Gesten, Zusammenspiel und Körpersprache ihrer Darsteller zu emotionalen Stimmungsbildern zu formen, die  in Erinnerung bleiben. Personendramaturgie, die auch junge Gesangssolisten zu erschütternden Sängerschauspielern reifen lässt. Phantastisch!

Das Erler Festspielorchester unter seinem Chefdirigenten Erik Nielsen bot bis auf einige bei so einem riesigen Werk unvermeidbare Wackler der Blechbläser  eine solide durchaus festspielwürdige Leistung. Diese ist um so mehr zu schätzen, da dieses Orchester ja kein ständig zusammenspielender Klangkörper ist, sondern aus überwiegend jungen Musikern zusammengestellt wurde. Der durch eine umfangreiche Tätigkeit als Chefdirigent an verschiedensten Musiktheatern und heute international erfolgreicher Gastdirigent hat genügend Erfahrung und Routine, um auch unter den erschwerten Erler-Gegebenheiten selbst einen Ring souverän zu gestalten. Es ist zu vermuten, dass das Leitungsteam sich über die grundsätzliche Gestaltung der Walküre intensiv ausgetauscht hat, denn auch Erik Nielsen dirigierte keinen bombastischen Wagner, sondern wählte eine leichtere, transparentere Wiedergabe. Die Tempi waren eher langsam, was natürlich den Sängern entgegenkam und der Maestro  differenzierte einfühlsam, so  dass die Gesangsstimmen kaum einmal durch das Orchester zugedeckt wurden. Dieses sängerfreundliche Dirigat dämpfte allerdings  die elektrisierende Spannung und das volle Leuchten der Partitur, die das Faszinosum  in Wagners Tonsprache ist. Im Walkürenritt, der auch gestalterisch äußerst temperamentvoll angelegt war und beim Feuerzauber kosteten Orchester und Dirigent diese Höhepunkte mitreißend aus. Hier war er da der große Atem in Wagners Musik, den man sich noch häufiger an diesem Abend gewünscht hätte.

Das Prunkstück, neben Frau Fassbaenders Regie, waren die Sänger. Überwiegend junge, unverbrauchte Stimmen. Erfüllt von hohem Enthusiasmus und dem spürbaren Willen, das Beste zu leisten. Es wäre interessant zu erfahren, 0b und wie oft Frau Fassbaender,  die ja auch  eine bedeutende Gesangslehrerin ist, mit den Sängern neben der Regiearbeit auch stimmlich gearbeitet hat. Christiane Libor stellte bereits beim ersten Auftritt stimmlich, darstellerisch und optisch klar, dass sie die akzeptierte Lieblingstochter Wotans ist. Die Stimme verfügt über ein großes Volumen, hat Strahlkraft auch in der Höhe und wird technisch sicher geführt. Durch ihre Leistung bestätigte Christine Libor, warum sie heute weltweit zu den gefragtesten Sängerinnen im dramatischen Sopranfach gehört. Simon Balley sang in Erl seinen ersten Wotan. Welch ein gelungenes Debüt in einer der schwierigsten Heldenbariton- Partien. Der Sänger verfügt über eine warme, volltönende Stimme, mit einem edlen Timbre und ist ein sehr kultivierter Sänger. Er hielt die fordernde Partie auch bei den langen Erzählungen des zweiten Aktes durch und es kam keine Langeweile auf. Seine stärksten Momente hatte er als gebrochen, machtloser Gott. Die natürliche, selbstverständliche Autorität  eines Weltenlenkers muss und wird sich bei häufigerem Singen dieser Partie noch weiter entwickeln. Sigmund Clay Hilley war ein vor Tatkraft strotzender Sigmund, bereits heute ein tenorales Kraftpaket mit eminenter Strahlkraft, viel Metall in der Stimme, dieser Sänger kennt  offenbar keine Höhenprobleme. Es könnte sein, dass bei weiterem gezielten klugen  Aufbau in  ihm ein lang ersehnter neuer Heldentenor heranwächst. In der Darstellung ist er manchmal noch zu burschikos und ein Manko war ,sein wirklich grausliches Äußeres. Da hätte die so liebreizende Sieglinde eher noch ihren Hunding behalten, als diesem verwahrlosten Gammler Siegmund voll Liebe in die Arme zu sinken. Hunding imponierende Figur, dunkel getönte Stimme, aber es fehlte jegliche Gefährlichkeit, die diese Figur ausstrahlen muss. Anthony Robin Schneider sollte sich einmal Tonaufnahmen von Gottlob Frick, Josef Greindl und aktuell Hans-Peter König anhören, da könnte er diese  finstere Bedrohlichkeit schon im Stimmklang hören. Claire Barnett -Jones  war stimmlich und darstellerisch eine so resolute Fricka, dass Wotan nicht den Hauch einer Chance hatte,  ihr zu widerstehen. Die Walküren waren perfekt ausgewählt und aufeinander abgestimmt und bewiesen nachdrücklich die Aussage von den jungen unverbrauchten, strahlenden Stimmen und mischten mit ihrem temperamentvollen Auftritten die ganze eher melancholisch gestimmte Stimmung und Gesellschaft so richtig auf. Im Sinne einer aufbauenden Dramaturgie kommt das Beste, als krönender Abschluss zuletzt und das war Irina Simmes als Sieglinde. Mit einem noch lyrisch gefärbten wunderschön silbrig klingendem  Sopran meisterte sie die doch bereits dramatische Kraft erfordernde Partie der Sieglinde virtuos. Als Darstellerin war sie sowohl als leidende, wie als von der Liebe überwältigte Frau ebenfalls grandios. Figur, Charisma und liebreizende Ausstrahlung machten sie vollends zu der idealen Sieglinde. Brava!  Abschließend noch ein weiterer Pluspunkt war die vorbildliche Artikulation und dadurch die  Verständlichkeit des Textes mit der gesungen wurde. Hier hat der Sängercoach der berühmte Heldenbariton Kammersänger Oskar Hillebrandt ganze Arbeit geleistet, die hier im Forum bereits in einem separaten Beitrag gewürdigt wurde.

Die Erler Walküre wurde deshalb zum geschilderten Erfolg, weil man das Werk Wagners in einer stimmigen Inszenierung einfach gekonnt erzählte und ohne Veränderungen und werkfremde Regiemätzchen wirken ließ. Ein großartiger Gegenentwurf zu den häufigen regielichen Entgleisungen gerade in Wagners Musikdramen. Bayreuth muss sich warm anziehen, wenn  es seine vermeintliche Vormachtsstellung  in Sachen Wagner behaupten will. Erl und andere bieten bereits heute ernst zu nehmende Alternativen und das herrliche Kufsteiner Land ist immer ein Reise wert.

Hans A. Hey, nach dem Besuch der 2. Aufführung der Walküre am 15. Juli bei den Tiroler Festspielen in Erl

Zuletzt bearbeitet am 3. August 2022, 19:49 von Saengerfreunde

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