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Wolfgang Windgassen – "der Held von Neu-Bayreuth"

WW  wurde am 26. Juni 1914 geboren und starb am völlig unerwartet an einem Herzinfarkt am 8. September 1974 (sogar die Boulevard-Zeitung «Bild» titelte: «Deutschlands grösster Tenor ist tot»)

Dieser Sänger, den ich von 1967-1974 36 mal in seinen grossen Rollen erleben durfte, hat mir den Bereich der klassischen Musik erschlossen.

In einem 2020 erschienen Buch über den Wagnergesang (Isolde Schmid-Reiter: Worttonmelodie. Die Herausforderung, Wagner zu singen. ConBrio 2020.) kommt Frank Piontek zu folgender Charaktisierung seiner Leistung:

„Geht es heute darum, den idealen Sänger-Darsteller zu finden, so mag man sich, wie Mösch, an Wolfgang Windgassen erinnern, dessen gleichsam objektives Stimm- und Darstellungsprofil, so Mösch, glänzend zu Wieland Wagners Erfindung des „antiken“ Wagner passte, auch wenn die von Mösch behauptete Objektivität auf optischer Ebene schon deshalb nicht beweisbar ist, weil kein Sänger – schon gar nicht ein Wagnersänger – allein nach seinen Stimmqualitäten beurteilt werden darf. Zumindest hatten jene Zuschauer, die Windgassen auf der Bühne erleben konnten, selten den Eindruck, dass der Sänger, trotz mimisch statischer Konzeption, vom hohen Kothurn aus agierte: weder stimmlich noch mimisch. Präsentierte Windgassen vokal und gestisch etwas „Überpersönliches“? Die Frage müsste mit den Zuschauern, die ihn noch erleben konnten, weiter diskutiert werden, will man dem ganzheitlichen Phänomen „Wagnersänger“ gerecht werden. Doch darf mit Mösch festgehalten werden, dass es Windgassen gelang, einen Ausgleich von Legato und Deklamation ins Werk zu setzen, der einen idealen Bayreuther Stil realisierte: quasi als belcantistisch orientierter Wagnertenor, der, auch aus diesem Grund, im Lauf seiner langen, also stimmlich wohlüberlegten und bis zuletzt potenten Karriere erstaunlich viele – und verschiedenartige – Wagnerpartien interpretierte.“

Zusammen mit Wieland Wagner und seinen Partner(inne)n (Varnay, Mödl, Greindl, Hotter, Nilsson) gelang es Windgassen nach dem zweiten Weltkrieg erst wieder Wagner «salonfähig» zu machen.

Bewusst wurde er von Wieland allen Tenor-Kollegen vorgezogen, weil er die Vorgaben des Regisseurs «millimetergenau» umzusetzen vermochte. Zitat: «Ein heiserer Windgassen ist mir lieber, als ein Uneingeweihter.»

Noch nach seiner letzten Ring-Inszenierung 1965, in welcher WW die Siegfriede sang, schrieb er ihm:

«Ich war besonders glücklich darüber, mit welcher Sympathie und Begeisterung Sie das Publikum wieder an dem Platz, der einzig Ihnen zusteht, begrüsst hat.»

Schliessen möchte ich mit zwei Zitaten aus dem 2016 erschienen «Lexikon der Gesangsstimme»:

«Rein musikalisch betrachtet setzte Windgassen auf eine sachliche Umsetzung, die im Gegensatz zu Vorgängern, wie Lorenz oder Melchior, den Notentext bis ins Detail respektierte, Diese Sorgfalt verband sich mit technischer Souveränität, die es Windgassen ermöglichte nach 30 Jahren im Wagner-Fach Partien, wie Tannhäuser oder Tristan ohne grössere Verschleisserscheinungen zu bewältigen.

Dass er beim Publikum wie im Kollegenkreis ein überaus beliebter Sänger war, dürfte mit einem tiefen künstlerischen Verantwortungsbewusstsein zu tun haben, das die eigene Leistung stets in einen grösseren Zusammenhang stellte.»

 

In meinen Jugendjahren war WW der Wagnertenor!

Erich

Ich beneide alle, die WW live erleben durften! Ich war allerdings mit Endrik Wottrich als Siegmund in Chemnitz auch sehr zufrieden. Alle anderen Wagner-Tenöre, die ich nach 1990 in Leipzig, Dresden, Dessau, Chemnitz und Gera (Michael Rabsilber war für Gera extrem gut) erlebte, kamen an Wottrich nicht ran. Aber WW war live sicher eine Klasse für sich.

Herzlichst Sir Morosus

Übrigens, lieber Sir, als wir ihn nach seinem Vorbild fragten, erwarteten wir als Antwort Franz Völker…

Er dagegen, was Dich sicher freuen wird: „Helge Rosvaenge“!

Zitat von Erich Ruthner am 21. Januar 2022, 16:00 Uhr

In meinen Jugendjahren war WW der Wagnertenor!

Erich

In meinen Jugendjahren auch, lieber Erich! Meine erste Begegnung mit Wagner war der Bayreuth-Tannhäuser von 1962 mit Wolfgang Windgassen in der Titelrolle, Anja Silja/Elisabeth, Grace Bumbry als Sensations-Venus (!), Josef Greindl/Landgraf, Eberhard Waechter/Wolfram unter Wolfgang Sawallisch. Diese LP hat mich so in den Bann gezogen, dass ich lange brauchte, andere Tannhäuser-Aufnahmen und- Aufführungen zu akzeptieren.

Noch zwei andere Nicht-Wagner-Werke mit Windgassen sind mir ans Herz gewachsen:

Fidelio unter Furtwängler (1950) aus der Wiener Staatsoper. Sein Florestan war sensationell (im Vergleich zu denen, die sich heute so an der Rolle abarbeiten…) Kongenial mit Martha Mödl als Leonore, Otto Edelmann als Pizarro und natürlich Gottlob Frick als Rocco. Besser geht’s nicht, oder?

Und Verdis Othello aus München mit Teresa Stratas als Desdemona, Dietrich Fischer-Dieskau als Jago unter der Leitung von Otto Gerdes. Müsste so um 1966/67 herausgekommen sein. In jeder seiner Rollen hinterließ Windgassens Gesang bei mir Gänsehaut.

Zum Schluss noch eine kleine Anekdote aus der Stuttgarter Oper: Windgassen und Josef Traxel wollten dem jungen Fritz Wunderlich zu seiner ersten Hauptrolle verhelfen. Die Zauberflöte stand an und am Vormittag meldeten sich beide Herren hintereinander wegen Heiserkeit ab. So  startete der junge Tenor mit dem Tamino seine leider nur allzu kurze Karriere.

Meines Erachtens war Wolfgang Windgassen einer der wichtigsten Vertreter einer sich ändernden Zeit. Der Beruf des nur singenden Heldentenors weitete sich zum Sängerschauspieler. Bei diesem Sängertyp musste wie epochal in Wielands und Wolfgang Wagners Neubayreuth-Inszenierungen Musik, Gesang und Schauspiel zu einer Ganzheit verschmelzen. Deshalb kann durchaus etwas dran sein, an dem ewigen (Vor)-Urteil: „Früher wurde besser gesungen“. Lauritz Melchior war unbestritten einer der stimmlich vollkommendsten Tenöre. Rudolf Bing der allmächtige Met-Chef bezeichnete Melchior jedoch als ein wandelndes Plüschsofa und fand ihn unerträglich. Wolfgang Windgassen hatte nie die stimmlichen Mittel eines Lauritz Melchior. Er war jedoch einer der wichtigsten Pioniere in der Entwicklung der Sängeroper hin zum ganzheitlichen Musiktheater. Darin liegt meines Erachtens sein historischer Verdienst in der Operngeschichte.

dies meinen zumindest die Sängerfreunde, die einen Teil dieser Entwicklung selbst mit erleben durften. 

 

Eine kleine Anekdote dazu:

Wir haben uns oft geärgert, dass er im 1. Akt meistens „noch nicht ganz da war“.   Aber dort, wo dann anderen die Luft ausgegangen ist, im 3. Akt hat er geglänzt (z.B. im „Tannhäuser“ – grauenvoll im Venusberg, aber auftrumpfend in der Romerzählung).  Tempi passati!

Erich

Wen wundert‘s? Die Venus hat schon manchem (nicht nur) Sänger die Sinne vernebelt. „Drum muss aus deinem Reich ich flieh‘n. O Königin, Göttin, lass mich zieh‘n!“

Lieber Marcel,

#4 stimmt mich froh. Rosvaenge hat ja Wagner kaum auf der Bühne gesungen, aber doch von den „Winterstürmen“ bis zur „Gralserzählung“ einiges auf Konserven. 

Herzlichst Sir Morosus

Der geehrte Threadstarter (aber auch die vielen anderen Wolfgang-Windgassen-Freunde) mag es mir verzeihen, wenn ich, wie gerade bei einem Post über Karl Ridderbusch, meine gänzlich andere Meinung sage. Und wie dort kann ich es nicht erklären, woran das liegt, dass mir Windgassens Stimme einfach nicht gefällt. Ich habe ihn in der Tristan-Aufnahme aus Bayreuth unter Böhm (wo es übrigens auch für mich Momente gibt, wo ich mich seiner Wirkung nicht entziehen kann – was an der LIVE-Aufnahme liegen könnte), in der ich ihn im Ensemble ertragen kann.

Und das trifft auch auf den Tannhäuser unter Swallisch aus Bayreuth zu, wo u.a. die Bumbry mit von der Partie ist. Hier ragt seine Romerzählung heraus, in der er die gepeinigte Seele des Sünders mit unerhörter Kraft (und Wut?) herausbrüllt. Auch eine LIVE-Aufnahme, was vielleicht beweist, dass er auf der Bühne besser als im Studio war. Darüber will ich aber nicht spekulieren…

Auch der Thread über Wolfgang Windgassen ist ein Sängerporträt und für ihn gilt das Gleiche wie für Dietrich Fischer-Dieskau und das, was ich dort vor wenigen Minuten geschrieben habe. Vor  allem der Beitrag Nr. 11 ist in meinen Augen unerträglich.

Willi Kaute, Administrator

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